Der Frauenhaendler
Gedanke, dass er für den Tod von drei jungen, schönen Frauen verantwortlich ist, macht mich stinksauer. Der Gedanke, dass er die Leibwächter, die nur ihre Arbeit gemacht haben, einfach umgebracht hat, macht mich ebenfalls stinksauer. Ich koche vor Wut, wenn ich daran denke, wie er seine Spielchen mit mir getrieben hat. Mein größter Wunsch wäre es, den Abzug zu betätigen und ihm eine, zwei, drei Kugeln in den Kopf zu jagen …
Die dank dem Schalldämpfer klingen wie drei Pfeile.
pfft … pfft … pfft …
Vielleicht werde ich es tun. Aber nicht sofort. Erst muss er mir noch ein paar Dinge sagen.
Und das weiß er auch.
Die Ironie tritt wieder zum Vorschein, nur dass sie jetzt die bleiernen Farben des Hohns trägt.
»Es ist schwer zu widerstehen, nicht wahr?«
»Was zu widerstehen?«
»Es ist schwer, der Versuchung zu widerstehen, den Abzug zu betätigen, wenn man jemanden vor sich hat, den man hasst.«
»Und wie löst du dieses Problem?«
»Die einzige Möglichkeit, einer Versuchung zu widerstehen, ist es, ihr nachzugeben.«
»Oscar Wilde.«
Er schaut mich überrascht an, weil ich das Zitat erkannt habe. Seine Augen sind finster und scheinen sich in mich hineinbohren zu wollen.
»Wer bist du, Bravo?«
»Einer, der wissen will und jemanden vor sich hat, der erklären kann.«
Ich gewähre ihm eine Pause, damit er versteht, wer hier welche Rolle innehat.
»Und jetzt werde ich dir ein paar Dinge erzählen. Unterbrich mich, wenn etwas nicht der Wahrheit entspricht.«
Schritt für Schritt rekonstruiere ich die Tatsachen, wie ich sie in Carmines Wohnung in meinem Kopf entwickelt habe. Carlas Rolle, Daytonas Rolle, der Tod der Tulpe, Lauras Rückzug, die Maßnahme, mit der man mich um ein Alibi gebracht hat, die Eliminierung von Zeugen, schließlich mein Selbstmord als Epilog einer Geschichte, deren Ursprung und Ende im Wahnsinn liegt.
Als ich zum Ende komme, hat er mich nicht ein einziges Mal unterbrochen.
Dann spricht er mir seine Anerkennung aus.
»Du bist schlauer, als ich gedacht hätte.«
»Nicht ich bin schlauer, als du gedacht hättest. Du bist weniger schlau, als du gedacht hast.«
»Meinst du?«
»Allerdings.«
»Wir werden ja sehen.«
Er lächelt mich an, und für einen Moment sehe ich wieder Lucios Miene, wenn er einen seiner Sprüche macht. Nur eine Sekunde lang, dann ist sie wieder verschwunden, wie alle angenehmen Erinnerungen, die von der Gegenwart verdrängt werden.
Nun schaut er auf eine Stelle in meinem Rücken.
»Nimm ihm die Waffe ab.«
Im selben Moment, als er die Worte ausspricht, spüre ich ein kleines, rundes, hartes Objekt im Nacken. Ich begreife sofort, dass es sich um einen Pistolenlauf handelt. Hinter mir erklingt eine Stimme, die keine Widerrede duldet.
Die Stimme von Chico.
»Wirf die Pistole auf das Sofa. Und dann Hände hoch.«
Nun erklingt eine andere Stimme. Auch die kenne ich.
»Und komm nicht auf dumme Gedanken. Wir sind zu zweit.«
Ich werfe die Pistole aufs Sofa, in der Hoffnung, dass sich ein Schuss löst und jemanden kaltmacht. So dämlich, wie ich mich fühle, hätte ich nichts dagegen, wenn es mich träfe. Das übliche Prozedere hätte es verlangt, die Wohnung zu inspizieren, aber ich habe es nicht getan, weil ich meinen kleinen Triumph auskosten wollte.
Scheiße. Scheiße. Scheiße.
Der Druck im Nacken lässt nach.
»Geh zur Wand.«
Ich begebe mich in die verlangte Richtung. Giorgio Fieschi tritt in mein Gesichtsfeld und begibt sich zum Sofa. Er nimmt die Beretta und richtet auch den zweiten Lauf auf mich. Ich weiß nicht, warum, aber ihn hier anzutreffen wundert mich nicht allzu sehr.
»Du bist also auch mit von der Partie.«
»Wie du siehst.«
Vom unbescholtenen, naiven Jungen aus dem Ascot Club ist nichts geblieben. Seine Miene ist entschieden, und er bewegt sich wie ein Profi. Dies ist der Abend der Enthüllungen und Verwandlungen. Ich betrachte ihn und sehe ihn wieder auf der Bühne. Jung, talentiert, Herr der Welt. Wenn es stimmt, was ich damals dachte, dass die anderen Künstler Angst vor seinen Fähigkeiten haben, wie bestürzt wären sie erst, wenn sie herausfinden würden, wer er wirklich ist.
Überrascht stelle ich fest, dass ich keine Angst habe. Ich spüre nur Enttäuschung. Wie immer angesichts einer verschenkten Gelegenheit.
»Du bist großartig. Genial, würde ich sagen. Du hättest viel erreichen können.«
Er schaut mich an wie einen Idioten.
»Das tue ich doch.«
»Gehört Laura auch dazu?«
Er zuckt
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