Der Frauenhaendler
Skier, die in der Ecke lehnen, neben einem Hektographen. Auf dem Boden ein Stapel gedruckter Flugblätter mit dem Symbol der Roten Brigaden. Ich bin mir sicher, dass auch im Rest des Hauses Dinge verstreut sind, die es als Terroristennest kennzeichnen.
Die Bühnenaufbauten sind fertig. Das Drehbuch wurde schon vor langer Zeit geschrieben. Jetzt ist auch der Hauptdarsteller gekommen.
Klappe, die erste.
Lucio wendet sich an die andere Person, einen großen, jungen Mann, der wie ein Oberstufenschüler wirkt. Wenn man ihn so sieht, würde er besser an das Tor eines Gymnasiums passen, mit Büchern unterm Arm und ins Gespräch mit einem Freund oder einer Freundin vertieft. Vermutlich war er aber einer der Passagiere, die in den Autos saßen, die ein Blutbad angerichtet haben und der festen Überzeugung sind, dass es sich bei den Morden nicht um ein Verbrechen, sondern um einen Akt der Gerechtigkeit handelt.
»Wie läuft es hier?«
»Alles ruhig. Wir sind bereit.«
»Bestens.«
Lucio schaut mich an. Ich habe den Eindruck, dass er sich vergewissern will, ob die Demonstration seiner Autorität Eindruck auf mich gemacht hat. Jeder Mensch hat seine Schwächen, seine kleinen und großen Eitelkeiten. Dass ich hier bin und mich in dieser Situation befinde, liegt allein daran, dass ich den meinen ebenfalls nachgegeben habe.
Ich stelle eine Frage.
»Bist du wirklich überzeugt davon, dass ihr irgendwas verändern werdet? Dass ihr tatsächlich etwas bewirkt?«
»Ich weiß es nicht. Ich kann nur sagen, dass ich schon zu lange mit dem Alten lebe und mir das nicht gefällt.«
Giorgio geht dazwischen.
»Vergeude deine Zeit nicht mit diesem Schönling. Wie soll er in zehn Minuten begreifen, was er in seinem ganzen Leben nicht begriffen hat?«
Ich schaue ihn an und sehe ihn wieder auf der Bühne, wo er den Leuten im Saal eines der schönsten Geschenke gemacht hat, die Menschen einander machen können: ein ausgelassenes Lachen. Wieder sehe ich sein deprimiertes, zartes Gesicht während der Schlusspointe.
Und unsere Kindheit war ruiniert …
Was auch immer die seine ruiniert hat, jetzt ist es zu spät, das wiedergutzumachen. Vielleicht sind diese Erklärungsversuche aber auch nur Spinnereien von Psychiatern, während es in Wahrheit gar keinen Grund gibt. Vielleicht ist es einfach seine Natur, und er ist nichts als ein wurmstichiges Exemplar in einem Korb voller schöner Äpfel.
Es gibt Leute, die ihn sehen und aussortieren.
Und es gibt Leute, die ihn sehen und verwerten.
Ich antworte im selben Tonfall.
»Eines habe ich in diesem ganzen Schlamassel sehr wohl begriffen.«
»Und das wäre?«
Er schaut mich an und wartet. Arrogant und herausfordernd.
»Manch einer legt Bomben, weil er an eine Sache glaubt. Manch einer legt Bomben, weil er sich daran ergötzt, den Knall zu hören und das Geschrei der Verletzten.«
Ich gebe ihm Zeit, die Vorstellung sacken zu lassen.
»Zu welcher Sorte gehörst du?«
Der Zorn überfällt ihn aus nächster Nähe, von einer Sekunde auf die andere sprühen seine Augen Blitze. Schnell zieht er die Pistole aus dem Gürtel und hält sie mir unters Kinn, so dass ich gezwungen bin, den Kopf zu heben.
»Du dämliches Stück Scheiße, ich werde dich …«
Ich werde nie erfahren, was er mich, weil in diesem Moment Lucio dazwischenfährt.
»Das reicht, Giorgio! Steck die Pistole weg.«
Der Druck des Pistolenlaufs lässt nach, der Zorn bleibt. Widerwillig befolgt Giorgio die Aufforderung seines Bosses. Lucio wie Tano Casale, Giorgio wie die Tulpe. Hätte es dessen noch bedurft, wäre das die Bestätigung dafür, dass es überall gleich läuft.
Die Illusion des Fliegens. Die Orte wechseln. Die Menschen sind überall gleich.
Die Pistole wandert wieder in den Gürtel, und er tritt einen Schritt zurück.
Sergio, der hinausgegangen war, um das Tor zu schließen, kehrt ins Innere der Garage zurück. Er lässt das Rollgitter herunter und sperrt die frische Nachtluft aus. Jetzt sind wir eingeschlossen in diesem Raum aus Backsteinen, Dachziegeln und Metall, ein jeder auf seine Weise gefangen unter den mitleidlosen Lampen.
Die Tür oben an der kurzen Treppe, die an der linken Seite hochführt, öffnet sich.
Carla tritt heraus und verharrt auf dem Treppenabsatz, um die Männer zu betrachten, die unter ihr stehen und instinktiv den Kopf in ihre Richtung gedreht haben. In ihrem wiegenden Gang steigt sie dann die Treppe hinab. Mir kommt es vor, als würde sie die wenigen Stufen in Zeitlupe nehmen, um mir
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