Der Frauenhaendler
trotzdem dorthin gelangen, ohne ein Taxi nehmen zu müssen. Das Gedächtnis mancher Taxifahrer in der Nachtschicht ist unglaublich. Bevor ich gehe, reibe ich alle Teile, die ich berührt habe, gründlich ab. Lenkrad. Schaltknüppel, Tür, Schaufel, Kofferraumklappe.
Dann mache ich mich zu Fuß auf den Weg.
Die Aufregung hat sich gelegt, aber die soeben durchgestandene Gefahr hat sämtliche Energie aus mir rausgesaugt. Schlagartig fühle ich mich so müde, als hätte ich mein gesamtes bisheriges Leben geschuftet, ohne einen Moment der Ruhe. Ich bewege mich in einem Tempo, das ich gerade so durchhalten kann, und lasse mir die Dinge durch den Kopf gehen, die dazu geführt haben, dass ich jetzt mit dreckigen Kleidern alleine durch Mailand spaziere. Eine Menge Fragen drängen sich auf, und auf keine habe ich eine zufriedenstellende Antwort. Schritte und Zeit spüre ich gar nicht mehr, nur noch die Müdigkeit. Und selbst die merke ich nicht mehr, als ich an der Via Tempesta um die Ecke biege und mich vor dem Ascot Club wiederfinde. Geschlossen und erloschen, aber in meinen Augen ein funkelndes Las Vegas.
Ich gehe zu meinem Mini. Neben dem Wagen steht mit dem Rücken zu mir eine Frau. Sie raucht eine Zigarette und kommt mir bekannt vor. Ich bleibe stehen, beobachte sie und denke, dass es selbst für eine bedürftige, zähe Nutte zu spät in der Nacht ist. In diesem Moment dreht sie sich um, und ich erkenne sie.
Es ist Carla.
Die Überraschung ist stärker als die Müdigkeit, die sich auf Schultern, Beine und Magen gelegt hat.
Ich gehe weiter. Sie sieht mich, wirft den Zigarettenstummel auf den Boden und entlässt den letzten Rauch in die Luft. Dann kommt sie auf mich zu. Ihr Gesicht ist so schön, wie ich es in Erinnerung habe. Sie trägt eine kurze Jacke über einem leichten Kleid und bewegt sich mit der natürlichen Eleganz einer Katze.
Das hatte ich beim ersten Mal gar nicht bemerkt. Vielleicht war ich zu sehr damit beschäftigt, mich in Daytonas Augen beliebt zu machen, um es zu bemerken. Schritt für Schritt tauchen ihre Augen aus der Dunkelheit auf und halten meinen Blick fest, auch wenn sich, als sie dann spricht, eine verlegene Note in ihre Stimme schleicht. Und eine sehr weibliche Vorsicht und Scham, weil sie nun hier vor mir steht, an diesem Ort und um diese Uhrzeit.
»Hallo.«
»Hallo. Was machst du denn hier?«
»Ich habe auf dich gewartet.«
»Du hast auf mich gewartet?«
»Ja.«
»Warum?«
Sie nickt zu dem Gebäude hinüber, wo sich hinter den erleuchteten Scheiben ihre Kolleginnen mit Lappen und Feudeln abmühen.
»Ich war bei der Arbeit. Als ich kam, habe ich deinen Wagen gesehen. Ich habe ihn aus dem Fenster im Blick behalten und gehofft, du würdest kommen und ihn holen. Irgendwann habe ich es nicht mehr ausgehalten. Ich habe die Schürze ausgezogen, alles stehen und liegen lassen und bin hinuntergegangen.«
Es fällt mir schwer, sie scharf in den Blick zu bekommen. Mein Magen fühlt sich an, als wäre er mit Sägemehl gefüllt, und mein Körper ist wie Brennholz. Und doch bemerke ich an ihr eine Art und Weise, Frau zu sein, wie ich es noch nie erlebt habe.
Mir geht es schlecht, und ich fühle mich angegriffen, daher gehe ich zum Angriff über.
»Was willst du?«
Sie spricht zu mir und schaut woandershin.
»Ich bin dieses Leben satt. Ich bin es satt, für ein paar Lire den Buckel krumm zu machen. Ich bin es satt, Frauen um mich herum zu haben, die alt geworden sind, ohne je jung gewesen zu sein. Ich bin es satt, dass ich mit meinem Chef bumsen muss, um die Stelle zu behalten, oder mit meinem Vermieter, um die Miete zu zahlen.«
Ich atme tief ein. Das Geständnis fällt mit dem Geräusch klirrender Münzen aufs Straßenpflaster. Ich weiß nicht, warum, aber mir ist klar, dass dies ein bedeutender Moment ist. Unser beider Leben vermischen sich, und ich fühle mich wie ein Idiot, weil ich so müde bin, dass ich nur einsilbige Wörter hervorbringe.
»Ja und?«
Sie senkt ihre Augen wieder in die meinen. Vorsicht und Scham sind verschwunden.
»Der Vorschlag, den du mir gestern Morgen gemacht hast …«
»Ja?«
»Dein Freund hat mir erzählt, dass du jemand bist, der seine Sache versteht, und dass du gut etabliert bist. Ich möchte, dass du mich in deinen Kreis aufnimmst und mir hilfst, viel Geld zu verdienen.«
Ich stehe vor ihr, während sie allmählich in der Ferne zu verschwinden scheint. Mein Kopf fühlt sich an, als würde er platzen, und meine Beine sind wie ausgehöhlt. Die
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