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Der Frauenheld

Der Frauenheld

Titel: Der Frauenheld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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erotisch aufgeladenen Worte: Fellation. Lugubre. Albert redete die ganze Zeit, während sie es bei ihm machte, darüber, daß sein Auto repariert werden müsse. Un Amour Secret lautete der abgedroschene Titel des Buches, und Bernards finster dreinblickendes, herablassendes Gesicht war nicht abgebildet.
    Er fragte sich, wieviel mehr Bernard wußte als er. Eine ganze Menge, dachte er, wenn das Buch auch nur zur Hälfte auf der Wirklichkeit beruhte. Aber gerade das Unbekannte war interessant. Man mußte sich damit auf die eine oder andere Weise auseinandersetzen. Wobei es ebenso das eigene Unbekannte sein konnte und nicht bloß das eines anderen. Aber die Vorstellung von Fellatio mit Josephine – etwas, woran er bis zu diesem Augenblick nicht einmal gedacht hatte – erregte ihn, und plötzlich kam ihm der Gedanke, daß etwas ausgesprochen Sexuelles darin lag, wenn er zwischen ihren Privatsachen herumschnüffelte und ihr Schlafzimmer erkundete, ein Zimmer und ein Bett, bei denen er sich gut vorstellen konnte, daß er sich selbst demnächst darin wiederfinden würde. Bevor er sich von dem Bett entfernte, legte er das grüne Paisley-Ei auf ihren Nachttisch neben das Exemplar des schmierigen Buches von ihrem Mann. Es würde einen Kontrast schaffen, dachte er, sie vielleicht daran erinnern, daß sie auch andere Möglichkeiten hatte.
    Er sah aus dem Schlafzimmerfenster hinaus auf den Park. Es war die gleiche Aussicht wie aus dem Wohnzimmer – der friedliche symmetrische Park mit seinen ausladenden großblättrigen Kastanien, dem kurz geschorenen grünen Rasen, den Formsträuchern, Taxushecken und blassen Kieswegen, die kreuz und quer hindurchführten, der alten Ecole Supérieure des Mines, die auf der gegenüberliegenden Seite aufragte, und dem Palais Luxembourg zur Linken. Auf einer der Wiesen saßen ein paar Hippies mit gekreuzten Beinen in einem engen kleinen Kreis und ließen einen Joint herumgehen. Sonst war niemand zu sehen, obwohl das Licht kühl war, weich und einladend, und Vögel darin umherflogen. Irgendwo in der Nähe schlug eine Uhr. Die Gitarrenmusik hatte aufgehört.
    Es wäre schön, dort spazierenzugehen, dachte Austin – mit Josephine –, die süße Luft der Kastanienbäume zu atmen und den Blick schweifen zu lassen. Das Leben war ganz anders hier. Diese Wohnung war ganz anders als sein Haus in Oak Grove. Er fühlte sich hier anders. Das Leben schien sich in der Tat in sehr kurzer Zeit bemerkenswert gesteigert zu haben. Alles, wessen es dazu bedurfte, dachte er, war der Mut, die Dinge in die Hand zu nehmen und mit den Folgen zu leben.
    Er nahm an, daß der kleine Leo in seinem Zimmer schlief und daß er ihn dort auch ganz gut allein lassen konnte. Aber als er sich hingesetzt und etwa zwanzig Minuten lang die französische Vogue durchgeblättert hatte, hörte er, wie sich hinten die Tür zum Flur öffnete, und Sekunden später erschien der kleine Junge an der Ecke. Er wirkte verwirrt und irgendwie benommen und trug immer noch sein BIG-TIME-AMERICAN-LUXURY -T-Shirt mit dem großen roten Cadillac, der aus seiner Brust hervorpreschte. Er hatte auch immer noch seine kleinen Schuhe an.
    Leo rieb sich die Augen und sah jämmerlich aus. Ohne Zweifel hatte ihm Josephine etwas gegeben, um ihn ruhigzustellen – etwas, was in den Staaten nie passieren würde. Aber in Frankreich, dachte er, behandelten Erwachsene Kinder anders. Intelligenter.
    » Bon soir «, sagte Austin mit einem leicht ironischen Tonfall und lächelte, wobei er die Vogue weglegte.
    Leo beäugte ihn mürrisch und mißtrauisch, weil diese Person, die absolut kein Franzose war, mit ihm französisch sprach. Er ließ den Blick auf der Suche nach seiner Mutter schnell durchs Zimmer gleiten. Austin überlegte, ob er das leicht diskreditierte Paisley-Ei noch einmal ins Spiel bringen sollte, entschied aber dagegen. Er blickte auf die Uhr auf dem Bücherregal: Fünfundvierzig Minuten mußten irgendwie herumgebracht werden, bevor Josephine zurückkam. Aber wie? Wie konnte man die Zeit so verbringen, daß Leo glücklich war und er möglicherweise seine Mutter beeindrucken konnte? Die Cubs-Idee würde nicht funktionieren – Leo war zu jung. Er kannte keine Spiele oder Zaubertricks. Er verstand nichts von Kindern, und er bedauerte es jetzt wirklich, daß der Junge aufgewacht war. Er bedauerte es, daß er überhaupt hier war.
    Aber er dachte an den Park – den Jardin du Luxembourg – direkt vor der Haustür. Ein schöner Spaziergang im Park würde sie

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