Der Frauenheld
Handtasche. »Er ist immerzu wütend. Manchmal schlägt er mich. Mach dir nichts draus. Es war lieb, daß du ihm etwas mitgebracht hast.«
Was Austin aber fühlte, war, daß er Josephine küssen wollte – jetzt, wo sie allein waren –, sie in einer Weise küssen, die besagte, daß er da war und daß es nicht bloß ein Zufall war, daß er die ganze Zeit an sie gedacht hatte und wollte, daß auch sie an ihn dachte, und daß diese ganze Sache, die in der letzten Woche in aller Vorsicht und gutgemeinten Zurückhaltung begonnen hatte, eine neue Ebene erreicht hatte, eine Ebene, die man ernster nehmen mußte. Sie konnte ihn jetzt lieben. Er konnte sich sogar vorstellen, sie zu lieben. Vieles war möglich, von dem man sich noch vor ein paar Tagen nichts hätte träumen lassen.
Er ging zu ihr hinüber, schob das Ei wieder in die Hosentasche, während sein verletzter Daumen pochte. Sie stand in ihren idiotischen Tierhosen über die Couch gebeugt, und er packte sie etwas rauh an den Hüften – wobei er das Gesicht einer gelben Giraffe und eines grauen Rhino mit den Händen bedeckte – und zog an ihr, versuchte, sie zu sich umzudrehen, damit er ihr den Kuß geben konnte, den er ihr geben wollte, den maßgeblichen, der seine bedeutsame Ankunft auf dem Schauplatz des Geschehens signalisierte. Aber sie sprang auf, als ob er sie erschreckt hätte, und sie rief: »Stop, was ist denn!«, als er versuchte, ihr Gesicht vor seines zu bekommen. Sie hatte einen Lippenstift in der Hand, und sie schien irritiert, ihm so nahe zu sein, obwohl sie süß roch, überraschend süß. Wie eine Blume, dachte er.
»Es gibt etwas Wichtiges zwischen uns, denke ich«, sagte Austin direkt in Josephines irritiertes Gesicht. »So wichtig, daß ich den ganzen Weg über den Ozean zurückgekommen bin und meine Frau verlassen habe und vielleicht hinnehmen muß, daß ich hier alleine bin.«
»Was?« sagte sie. Sie verzog den Mund und, ohne ihn direkt wegzustemmen, schob sie ihn doch mit soviel Kraft, daß sich ein kleiner Abstand zwischen ihnen auftat. Er hielt sie immer noch an den Hüften, die von Tiergesichtern wimmelten. Eine dunkle Kruste von Lidschatten klebte dort, wo sie ihre Augen bearbeitet hatte.
»Du sollst dich nicht unter Druck gesetzt fühlen«, sagte er und sah sie ernst an. »Ich möchte dich nur sehen. Das ist alles. Vielleicht ein bißchen mit dir allein sein. Wer weiß, wohin es führt?«
»Du bist sehr erschöpft, denke ich.« Sie kämpfte, um von ihm loszukommen. »Vielleicht kannst du dich ein bißchen ausruhen, während ich weg bin.«
»Ich bin nicht müde«, sagte Austin. »Ich fühle mich großartig. Ich habe eine reine Weste. Nichts belastet mich.«
»Das ist gut«, sagte sie und lächelte und schob sich in dem Moment entschlossen von ihm weg, als Austin näherkam, um ihr den bedeutsamen Kuß zu geben. Aber Josephine küßte ihn schnell zuerst, gab ihm den gleichen harten, leidenschaftslosen Kuß, mit dem sie ihn vor fünf Minuten begrüßt und der ihn unbefriedigt gelassen hatte.
»Ich möchte dich richtig küssen, nicht so«, sagte Austin. Er zog sie wieder fest an sich, packte ihre weiche Taille und preßte den Mund wieder auf ihren. Er küßte sie so sanft, wie er konnte, während sie sich steif machte und voller Widerstand blieb und den Mund so geformt hatte, als wollte sie nicht einen Kuß empfangen, sondern sofort zu sprechen beginnen, sobald der Kuß vorbei war. Austin dehnte diesen Kuß für einen langen Moment aus, mit geschlossenen Augen, atmete durch die Nase und versuchte zu fühlen, ob sein eigener Wunsch nach Zärtlichkeit sie entflammen, eine zärtliche Antwort bei ihr hervorrufen konnte. Aber wenn sie irgendeine Zärtlichkeit für ihn empfand, dann war sie von der unabsichtlichen Art – eher nachsichtig. Und als er sie etwa sechs bis acht Sekunden lang geküßt hatte, bis er ihren Atem geatmet und sie ihren Widerstand aufgegeben hatte, machte er einen Schritt zurück und sah sie an – eine Frau, von der er das Gefühl hatte, daß er sie vielleicht lieben könnte – und nahm ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger und sagte: »Das ist wirklich alles, was ich wollte. Das war doch gar nicht so schlimm, oder?«
Sie schüttelte flüchtig den Kopf und sagte sehr leise, beinahe unterwürfig: »Nein.« Sie hatte den Blick gesenkt, wenn auch nicht auf eine Weise, die ihm Vertrauen einflößte, sondern eher, als warte sie auf etwas.
Er hatte das Gefühl, daß er sie jetzt gehen lassen sollte; das war das, was
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