Der Frauenheld
schminkte. »Wie fühlst du dich?« sagte sie.
»Ich fühle mich großartig«, sagte Austin. Er lächelte auf den kleinen Leo hinab, der nicht aufgehört hatte, ihn anzustarren, wobei er seinen Trommelstock hochhielt wie einer jener kleinen Holzindianer in den amerikanischen Tabakläden. Das Kind trug kurze Hosen und ein weißes T-Shirt, auf dem die Worte BIG TIME AMERICAN LUXURY über einem riesigen roten Cadillac-Kabriolett standen, das aus seiner Brust herauszupreschen schien.
Leo äußerte irgend etwas sehr schnell auf französisch, sah dann zu seiner Mutter und wieder zu Austin, der noch nicht weit ins Zimmer hineingekommen war, seit er umarmt und geküßt worden war.
» Non, non, Leo «, sagte Josephine und lachte seltsam vergnügt. Sie entgegnete ihm etwas auf französisch. »Er fragt, ob du mein neuer Ehemann bist. Er meint, daß ich jetzt einen Ehemann brauche. Er ist sehr durcheinander.« Sie fuhr fort, Lidschatten aufzutragen. Sie sah hübsch aus im Licht am Fenster, und Austin wollte einfach hinübergehen und ihr einen viel bedeutenderen Kuß geben. Aber das Kind starrte ihn immer noch an, hielt seinen Trommelstock hoch, und Austin fühlte sich dadurch verlegen und zögerlich, nicht so, wie er sich hatte fühlen wollen. Er hatte gedacht, er würde sich frei fühlen und vollkommen entspannt und allem gewachsen.
Er griff in die Hosentasche, nahm das Holzei in die Hand und kniete vor dem kleinen Jungen nieder, um ihm zwei geballte Fäuste hinzuhalten.
» J’ai un cadeau pour toi «, sagte er. Er hatte diese Worte geübt und fragte sich nun, wie gut er sie getroffen hatte. »Ich habe ein hübsches Geschenk für dich«, sagte er auf englisch, um sich selbst zufriedenzustellen. » Choissez le main. « Austin versuchte zu lächeln. Er wackelte mit der richtigen Hand, der rechten Hand, und versuchte, die Aufmerksamkeit des Kindes auf sich zu ziehen. » Choissez le main, Leo «, sagte er noch einmal und lächelte ein wenig verbissen. Austin sah Josephine an, damit sie ihn ermunterte, aber sie prüfte immer noch ihr Aussehen in dem kleinen Spiegel. Sie sprach dann allerdings sehr energisch mit Leo, der mit zusammengezogenen dunklen kleinen Brauen auf die beiden ihm hingehaltenen Fäuste starrte. Langsam zeigte er mit seinem Trommelstock auf Austins rechte Faust, die, mit der er gewackelt hatte. Sehr langsam – als ob er eine Kiste öffnete, die mit Gold gefüllt war – öffnete Austin seine Finger, um ihm das leuchtende kleine grüne Ei mit dem goldenen Paisleymuster und den roten Schneeflocken zu zeigen. Einige Tupfen der grünen Farbe klebten an seiner Hand, was ihn überraschte. » Voilà «, sagte Austin dramatisch. » C’est une jolie œuf! «
Der kleine Leo starrte gebannt auf das feuchte Ei in Austins weicher Handfläche. Er sah zu Austin hoch mit einem Ausdruck geübter Neugierde, wobei er seine kleinen dünnen Lippen spitzte, als ob ihn etwas beunruhigte. Sehr zaghaft streckte er den hölzernen Trommelstock aus und berührte das Ei, dann stupste er das Ei mit der schmalen Spitze an, mit dem Ende, mit dem man auf die Trommel schlug. Austin bemerkte, daß Leo zwei oder drei große rauhe Warzen an seinen winzigen Fingern hatte, und ein kaltes Gefühl des Unglücks, das er aus seiner eigenen Kindheit kannte, stieg plötzlich in ihm auf, was ihm Leo für einen Augenblick zerbrechlich und sympathisch erscheinen ließ. Aber mit überraschender Schnelligkeit hob das Kind den Trommelstock und schlug auf das Ei, das immer noch in Austins ausgestreckter Hand lag – ein wütender Schlag, mit dem er es anscheinend zerschmettern und Austins Fingern obendrein einen schmerzhaften Hieb verpassen wollte.
Aber obwohl der Schlag den glänzenden grünen Emaillebelag abplatzen ließ und Austin die Wucht wie einen Schock spürte, zerbrach das Ei nicht. Und das bleiche Gesicht des kleinen Leo nahm einen Ausdruck beherrschter Wut an. Er ließ gleich noch zwei rachsüchtige Hiebe folgen, wovon der zweite Austins Daumen einen stechenden und dann betäubenden Schlag versetzte, dann drehte er sich um und floh aus dem Zimmer, die Diele hinunter und durch eine Tür, die er hinter sich zuschlug.
Austin sah Josephine an, die am Fenster gerade fertig wurde. »Ich habe es dir vorher gesagt«, sagte sie und schüttelte den Kopf.
»Das hat nicht so gut geklappt«, sagte er und drückte seinen Daumen, damit er ihn nicht erwähnen mußte.
»Es ist nicht wichtig«, sagte sie, ging zur Couch und steckte ihren Taschenspiegel in die
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