Der Frauenkrieg
aufhebend und rasch wieder auf den Kopf setzend. »Still, denn wenn man wüßte, daß ich es bin, so würde man mir vielleicht mein Glück entziehen. Endlich ist es mir also gestattet, Euch noch zu sehen. Oh! mein Gott, mein Gott, wie glücklich bin ich.«
Und sie fühlte, wie ihre Brust sich erweiterte, und brach in ein heftiges Schluchzen aus.
»Noch!« sagte Canolles, »es ist Euch gestattet, mich noch zu sehen, sagt Ihr? Und Ihr sagt mir das unter Tränen. Ah! Ihr solltet mich also nicht mehr sehen?« fuhr er lachend fort.
»Oh! lacht nicht, mein Freund,« versetzte Claire; »Eure Heiterkeit tut mir weh. Lacht nicht, ich bitte Euch. Wenn Ihr wüßtet, wieviel Mühe ich gehabt habe, um zu Euch zu gelangen... und es fehlte nicht viel, daß ich nicht gekommen wäre! ... Ohne Lenet, ohne diesen vortrefflichen Mann... Doch sprechen wir von Euch, armer Freund! Mein Gott! Ihr seid also hier? Euch finde ich wieder! Euch kann ich abermals an mein Herz drücken.«
»Ja, ich, ich bin es,« erwiderte Canolles lächelnd.
»Oh! laßt das, es ist unnötig, stellt Euch nicht lustig, es ist mir alles bekannt. Man wußte nicht, daß ich Euch liebte, und verheimlichte mir nichts.«
»Aber was wißt Ihr denn?« fragte Canolles.
»Nicht wahr!« fuhr die Vicomtesse fort, »nicht wahr, Ihr erwartet mich, nicht wahr? Ihr wart unzufrieden über mein Stillschweigen? Ihr klagtet mich an?«
»Ich, unzufrieden! allerdings, aber ich klagte Euch nicht an! Ich vermutete, daß irgend ein Umstand, stärker als Euer Wille, Euch von mir entfernt hielt; und bei alledem ist mein größtes Unglück, daß unsere Heirat verschoben, vielleicht auf acht, auf vierzehn Tage verschoben ist.« Claire schaute Canolles mit demselben Erstaunen an, das der Offizier einen Augenblick vorher gezeigt hatte.
»Wie,« sagte sie, »sprecht Ihr im Ernste, oder seid Ihr in der Tat nicht mehr erschrocken?«
»Ich, erschrocken! worüber? Sollte ich etwa einer unbekannten Gefahr preisgegeben sein?« fragte er lachend.
»Oh! der Unglückliche!« rief Claire; »er wußte nichts.«
»Nein, ich weiß nichts,« sagte Canolles mit ernstem Tone. »Aber nicht wahr, Ihr werdet mir alles sagen? Ich bin ein Mann; sprecht, Claire, sprecht!«
»Ihr wißt, daß Richon tot ist?« – »Ja, ich weiß es.«
»Ihr wißt, wie er gestorben ist?« – »Nein, aber ich vermute es. Nicht wahr, er ist auf seinem Posten, auf der Bresche von Vayres getötet worden?«
Claire schwieg einen Augenblick; dann erwiderte sie ernst wie das Erz, das ein Totengeläute erschallen läßt: »Er ist in der Halle von Libourne gehängt worden.«
Canolles machte einen Sprung rückwärts und rief: »Gehängt! Richon, ein Soldat, gehängt!«
Dann erbleichte er plötzlich, fuhr mit zitternder Hand über seine Stirn und fügte bei: »Ah! jetzt begreife ich alles; meine Verhaftung, mein Verhör, die Worte des Offiziers, das Stillschweigen der Soldaten; ich begreife Euer Kommen und Eure Tränen, als Ihr mich so heiter saht; ich begreife endlich das Gedränge, das Geschrei, die Drohungen. Richon ist ermordet worden, und an mir wird man Richon rächen!...«
»Nein, nein, mein Vielgeliebter! nein, armer Freund meines Herzens!« rief Claire, ergriff strahlend vor Freude Canolles' Hände und tauchte ihre Augen in die seinigen; »nein, nicht dich werden sie opfern, teurer Gefangener! Ja, du täuschtest dich nicht, du warst bezeichnet! ja, du warst verurteilt; ja, du hast den Tod von nahem gesehen, mein schöner Bräutigam. Aber sei unbesorgt, du kannst jetzt lachen, du kannst von Glück und Zukunft sprechen. Diejenige, die dir ihr ganzes Leben widmen wird, hat das deinige gerettet! Sei freudig!... aber ganz leise, denn du wirst vielleicht deinen unglücklichen Gefährten erwecken, den, auf welchen der Sturm fallen soll, denjenigen, der statt deiner sterben muß.«
»Oh! schweigt, schweigt teure Freundin! Ihr macht mich zu Eis,« erwiderte Canolles, der sich trotz der glühenden Liebkosungen Claires nur langsam von dem furchtbaren Schlage erholte, den er erhalten hatte.
»Ah! nun seid Ihr düster und träumerisch.«
»Oh!« rief Canolles, »ich fürchte mich nicht vor dem Tode; aber der Tod trennt mich von Euch.«
»Wärt Ihr gestorben, mein Vielgeliebter, so wäre ich auch gestorben. Aber statt Euch so zu betrüben, freut Euch mit mir. In dieser Nacht, in einer Stunde vielleicht werdet Ihr das Gefängnis verlassen. Wohl! entweder hole ich Euch selbst, oder ich erwarte Euch am Ausgang. Dann fliehen wir, ohne
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