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Der Frauenmörder

Der Frauenmörder

Titel: Der Frauenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Bettauer
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einander gegenüber und sahen sich in die Augen. Hartwig richtete die zusammengesunkene Gestalt hoch auf.
    "Tun Sie Ihre Pflicht, ich gehe ruhig mit Ihnen, Herr, Herr — —"
    "Nein, nicht Recher, sondern Inspektor Krause! Die kleine Komödie war mir selbst widerwärtig, aber durchaus notwendig. Und nun, bitte, nehmen Sie Ihren Hut und gehen Sie mir voran."
    Hartwig zögerte, sah wie geistesabwesend vor sich hin.
    "Sagen Sie, ich kann mich doch im Untersuchungsgefängnis selbst beköstigen und meine eigenen Sachen tragen?"
    "Jawohl, Herr Hartwig, das können Sie! Bis zu Ihrer Verurteilung sind Sie Gentleman und sozusagen ein ordentlicher Staatsbürger in einer Zelle. Ich würde Ihnen raten, gleich eine Tasche mit den notwendigen Sachen mitzunehmen. Wir benützen natürlich ein Autotaxi."
    Während Hartwig wortlos einen kleinen Handkoffer füllte, glitten die Gedanken Krauses um viele Jahre zurück. Oh, wie er diese Angst verstand, diese Angst vor Sträflingskittel, Zwangsbädern, Erbsbrei und Kartoffelsuppe! Nicht die Haft, das Zuchthaus, die körperliche Arbeit, die Entehrung sind ja das Fürchterlichste, sondern die Filzschuhe an den Füßen, das grobe, fremde Hemd, das "Du" des Wärters, der Blechtopf mit dem zerbeulten Löffel, der Unratkübel. Gesetzgeber, ihr wollt strafen, um zu rächen und zu bessern und macht aus Menschen mit Fehlern verzweifelte Tiere, Bestien in dem Augenblick, da ihr brutal die Nabelschnur zerreißt, die den Gestrauchelten mit seinem früheren Leben verbindet. — —
    Auf vorsichtige Fragen, die Krause im Auto stellte, gab Hartwig keine Antwort, kniff die Lippen zusammen, als wollte er sie nie wieder öffnen. Nur im letzten Augenblick, als der Alexanderplatz schon in Sicht war, sagte er heiser:
    "Herr Krause, irgendwie strömt Ihre schäbige Detektivseele doch Menschliches aus. Und an dieses Menschliche wende ich mich mit einer Bitte: Zerren Sie das reinste Geschöpf der Welt nicht mit herein, lassen Sie Lotte Fröhlich aus dem Spielt"
    Krause nickte, während die Fältchenflut in seinem Gesicht aufstieg.
    "Ich verspreche Ihnen das gerne — es sei denn, daß Lotte Fröhlich vom Wirbel der Ereignisse automatisch erfaßt wird."

Kämpfende Seelen
    D r. Clusius mimte Napoleon nach einer gewonnenen Schlacht, kreuzte die Arme über der Brust, sah Hartwig durchbohrend an, schritt auf und ab, ohne ihn aus den Augen zu lassen, mit denen er ihn erstechen wollte, und wartete auf den köstlichen Moment, da der Gewaltige, der Präsident, kommen würde. Und dieser kam aufgeregt; Serenissimus mit Hakennase und Monokel, zehn bunte Bändchen am Aufschlag des Gehrockes, begrüßte beinahe kameradschaftlich den Chef der Sicherheitspolizei, betrachtete wohlwollend den seltsamen Krause, der ihm eigentlich nach Geburt gleichberechtigt war, finster den Verhafteten, sagte "Tach!" zum Protokollschreiber, und das erste Verhör begann.
    Es wurde aber eigentlich gar kein Verhör. Hartwig erklärte kurz und bündig, Thomas Hartwig zu heißen, zweiunddreißig Jahre alt zu sein, in Köln als Sohn des verstorbenen Gymnasialprofessors Wilhelm Hartwig geboren, bisher unbescholten, evangelisch und im großen und ganzen mittellos und ohne feste Stellung zu sein. Dann aber:
    "Und nun, meine Herren, bitte ich Sie, sich keine Mühe mehr zu geben, da ich keine weitere Frage beantworten werde. Nicht einmal die, ob ich schuldig oder unschuldig bin. Später, vor meinen wirklichen Richtern, werde ich mich vielleicht — ich weiß es heute noch nicht — äußern, bis dahin müssen Sie aber auf jedwede Unterhaltung mit mir verzichten."
    Der Präsident donnerte, Clusius schwitzte Blut, Krause lehnte gleichgültig, als ginge ihn die ganze Geschichte nichts an, an der Wand — es war alles vergebens. Worte wie "frecher Geselle", "Flötentöne beibringen", "Mordbube" fielen, ohne daß Hartwig auch nur mit der Wimper gezuckt hätte. Schließlich verlegte sich Clusius aufs Bitten.
    "Hartwig, das Beweismaterial gegen Sie ist erdrückend, also halten Sie uns nicht unnütz auf! Die Briefe der fünf verschwundenen Mädchen wurden bei Ihnen gefunden, damit allein sind Sie schon vollständig überführt. Gestehen Sie ruhig ein, entlasten Sie Ihr Gewissen, das kann Ihnen, wenn es sich einmal um Umwandlung der Todesstrafe handelt, von Nutzen sein."
    "Bedauere," sagte Hartwig höflich und schwieg.
    Das Fräulein aus dem Annoncenbureau des "Generalanzeigers" erschien aufgeregt, erkannte in Hartwig sofort den Herrn, der anfangs Juni Annonce

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