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Der Frauenmörder

Der Frauenmörder

Titel: Der Frauenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Bettauer
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geben? Bin ich Ihr Dramaturg oder nicht?"
    Ein gellender Aufschrei Hohlbaums folgte statt einer Antwort:
    "Da ist es, Doktorchen, da — das ist das Stück - 'Drei Menschen' von Thomas Hartwig! Und da steht die Adresse: Novalisstraße zehn — stimmt! Weisl, das ist der große Treffer, das ist die Rettung, das ist die Sensation! Weisl, ich lege Ihnen zur Gage zu - das heißt, wenn das Stück zieht!"
    Sauber, in Maschinenschrift, lag das geheftete Manuskript vor ihnen.
    Drei Menschen, ein Drama aus dem bürgerlichen Leben von Thomas Hartwig.
    Und der Direktor ließ Bier und belegte Brötchen kommen, gab Auftrag, niemand vorzulassen, und Dr. Weisl las langsam das Drama des Mannes vor, der demnächst fünf ruchlose Mordtaten vor den Geschwornen verantworten sollte. Als er fertig war, wischte er sich den Schweiß aus der Stirn und war sehr bleich. Und Direktor Hohlbaum lehnte sich, während es um seine wulstigen Lippen zuckte, mit geschlossenen Augen zurück und gedachte vergangener Zeiten, da er noch ein Mensch gewesen und das Feuer ehrlicher Begeisterung für Theater und Literatur in seiner Brust getragen.
    Weisl sagte leise:
    "Es ist ein gewaltiges Werk, das verdient hätte, aufgeführt zu werden, auch wenn der Autor nicht des Mordes angeklagt ist."
    "Ja, es ist ein großes Stück! Weisl, das geht die ganze Saison, und wenn der Hartwig geköpft wird, so werden wir die Tantièmen dem Verein zur Rettung entlassener Sträflinge widmen. Das macht einen guten Eindruck!"
    Am nächsten Morgen um neun Uhr erschien der Anwalt des Kleist-Theaters im Landgericht, ließ Hartwig vorführen, dessen Augen aufleuchteten, als er hörte, daß sein Stück aufgeführt werden sollte. Er gab ohne weiteres die Einwilligung, nur stellte er zur Bedingung, daß die Erstaufführung an dem Tage stattfinden müsse, an dem sein Prozeß vor den Geschwornen begänne. Auch behielt er sich eine beratende Stimme bei der Rollenbesetzung vor. Nach kurzem telephonischen Hin und Her war das in Ordnung gebracht, mittags enthielten die Zeitungen die ersten Nachrichten von dem kommenden sensationellen Theaterereignis, am Nachmittag wurden die Rollen ausgeschrieben, am nächsten Tag war die erste Leseprobe und bald wartete das sogenannte ganze Berlin mit fieberharter Spannung auf den Prozeß und die Premiere der "Drei Menschen" im Kleist-Theater.

Das große Rätsel
    D er vom Gericht zum Verteidiger Hartwigs bestimmte Rechtsanwalt Fritz Nagelstock nahm seine Aufgabe sehr ernst. Er war jung, erst seit zwei Jahren Anwalt, kämpfte mit materiellen Schwierigkeiten, glaubte aber an sich und hatte längst auf einen Fall gewartet, der ihn berühmt machen könnte. Dieser Fall war nun da, einen stärkeren Sensationsprozeß hätte sich auch der bedeutendste Anwalt nicht wünschen können. Allerdings brachte ihn das Verhalten Hartwigs zur hellen Verzweiflung.
    "Mensch," sagte er ihm immer wieder, "spielen Sie doch nicht um Ihren Kopf! Sie haben nur den einen und der ist sehr wertvoll! Wenn Sie schon dem Untersuchungsrichter gegenüber nicht reden wollen, so müssen Sie doch mir alles beichten, damit ich meine Verteidigung aufbauen kann. Ganz Berlin, nein, ganz Europa interessiert sich für Sie, die Zeitungen veröffentlichen täglich seitenlange Artikel über Ihren Roman, über das Stück, Sie werden ja schon bei lebendigem Leib seziert. Nutzen Sie das, geben Sie mir die Möglichkeit, die Geschwornen von Ihrer abnormen Geistesbeschaffenheit zu überzeugen, und wir haben gewonnenes Spiel. Herr Hartwig, tatsächlich liegt bei Ihnen ja auch ganz zweifellos eine schwere Nervenstörung vor, ein psychischer und physischer Riß. Man ermordet doch nicht wegen lumpiger dreißig- oder vierzigtausend Mark fünf Frauenzimmer, wie man Hühner umbringt, um ihre Leber als Ragout zu genießen! Sagen Sie mir, was in Ihnen vorgegangen ist, erklären Sie mir die mystischen Triebe, unter denen Sie leiden, beschreiben Sie die Willenslähmung, von der Sie befallen worden sind, und lassen Sie das andere meine Sache sein. Kenne ich erst Ihr Geheimnis, so werde ich es zu werten wissen! Willenslähmung, Suggestion durch eine mystische Macht, Trübung des Bewußtseins, unwiderstehlicher Trieb — das sind wunderbare Sachen, Herr Hartwigl Man wird Sie nicht verurteilen, sondern nach Dalldorf bringen und dann nach einem Jahr als geheilt entlassen. Nun, in Dalldorf können Sie mit dem Vermögen, das Ihr Buch trägt und Ihr Drama einbringen wird, wie ein Fürst leben und zwei neue Stücke schreiben.

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