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Der Frauenmörder

Der Frauenmörder

Titel: Der Frauenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Bettauer
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seien und die geehrten Herren Sortimenter sich gedulden mögen, bis die nächsten hunderttausend fertiggestellt wären. Es wurde im Laufe der nächsten Wochen der größte Erfolg aller Zeiten, selbst "Biene Maja" mußte sich verkriechen, und als die französische, englische, russische, italienische, türkische, holländische, spanische und japanische Ausgabe erscheinen konnte, figurierte die deutsche Ausgabe mit einer Auflage von einer Million an der Spitze der Literaturgeschichte. Vom Leipziger Standpunkt betrachtet.
    Hartwig hatte seinerzeit fünfzehn Prozent vom Ladenpreis vereinbart und die Hälfte von den Ubersetzungshonoraren. Während er im Polizeigefängnis und dann bald im Untersuchungsgefängnis in Moabit seine Taktik des Schweigens fortsetzte, schwoll ein für ihn von den Brüdern Merker angelegtes Bankkonto von Tag zu Tag an. Hartwig hätte sich jetzt von Borchart verpflegen lassen, in Sekt baden, sich die teuersten Verteidiger nehmen können und wäre trotzdem ein schwerreicher Mann geblieben. Aber er tat nichts von alldem, aß einfach und bescheiden, las alte Bücher und weigerte sich nicht nur, vor dem Untersuchungsrichter Aussagen zu machen, sondern auch sich einem Rechtsfreund anzuvertrauen. Es mußte ihm schließlich von Gerichts wegen ein Verteidiger in der Person des Rechtsanwaltes Nagelstock gegeben werden. Aber auch ihm gegenüber blieb Hartwig auf dem Standpunkt:
    "Ich habe nichts zu sagen! Ich muß meine Unschuld nicht beweisen, sondern die Anklagebehörde soll den Beweis für meine Schuld erbringen. Ich habe abgeschlossen und stehe dem Verlauf der Dinge gleichgültig gegenüber."

"Drei Menschen"
    D er Direktor des Kleist-Theaters, Herr Hohlbaum, saß abends, während gerade "Fräulein Julie" von Strindberg gespielt wurde, in seinem prunkvollen Privatbureau und stritt mit seinem ersten Dramaturgen, Dr. Weisl aus Wien.
    "Lieber Doktor Weisl, öden Sie mich nicht an! Was heißt, der Name Kleist-Theater verpflichtet? Soll ich pleite gehen, weil das Theater den Namen vom seligen Kleist hat? Ich pfeif' Ihnen etwas auf Ihre Literatur! Zugstücke und ausverkaufte Häuser brauch' ich, nicht literarische Schmonzes, die in den Zeitungen gelobt werden und keine Katz' ins Theater locken! Verpflichtet ist gut gesagt! Wer ist aber verpflichtet, die Pacht und die Gagen zu bezahlen? Kleist oder ich? Na also, wenn ich verpflichtet bin, so sind Sie verpflichtet, gute, das heißt kräftige Stücke herbeizuschaffen!"
    Ein Diener kam und brachte den Kassenbericht.
    "Nu, da schauen Sie sich die Einnahmen von heute an! Nicht einmal genug, um den halben Tagesetat zu decken. Lieber Weisl, wenn ich pleite machen werde, so habe ich eine Genugtuung: Sie gehen mit mir mechulle!"
    Dr. Weisl war wütend und schrie:
    "Meinethalben geben Sie den "Schinderhannes", vielleicht ist das ein Geschäft!"
    "Den 'Schinderhannes' gerade nicht, aber wenn ich jemanden finden würde, der mir innerhalb von drei Tagen den Fall Hartwig dramatisiert — Wäre keine schlechte Idee! 'Der Romancier als Mörder' oder 'Der blutige Roman' oder einfach 'Kämpfende Seelen', wie sein Roman heißt."
    Weisl machte eine wegwerfende Bewegung, nahm in einem unbeobachteten Augenblick drei Zigarren aus der Kiste und sagte:
    "Also, wollen wir als nächste Novität den neuen Unruh bringen?"
    Aber Hohlbaum antwortete nicht. Stierte mit weit aufgerissenen, glasigen Augen vor sich hin, ließ die Zigarrenasche auf seine Weste fallen und begann so schwer zu atmen, daß Weisl fürchtete, der Name Fritz von Unruh werde bei seinem Direktor einen Schlaganfall verursachen.
    Plötzlich sprang Direktor Hohlbaum auf, machte einen Satz gegen den Dramaturgen und keuchte heiser:
    "Sie, Weisl, entweder bin ich total meschugge oder — Vor ein paar Monaten ist jemand, der Thomas Hertwig oder Hartwig oder Hartung heißt, bei mir mit einem Stück gewesen. Ich habe es gar nicht angeschaut, sondern da in den Kasten geschmissen! Aber so wahr ich Hohlbaum heiße, der Mann war blond und genau so, wie die Zeitungen den Mörder beschreiben — vielleicht ist er es gewesen!"
    Auch Weisl wurde von der Erregung des Direktors ergriffen und beide begannen in einem großen Bureauschrank mit Rolltüre zu wühlen, daß die Staubwolken den Raum verdunkelten und Niesanfälle verursachten.
    "Die träumende Göttin" — "Elsas Hochzeit" — "Das bittere Ende" — Titel und Namen, begrabene Hoffnungen kamen zum Vorschein und Weisl schrie wütend:
    "Warum halten Sie das bei sich, statt es mir zu

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