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Der Frauenmörder

Der Frauenmörder

Titel: Der Frauenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Bettauer
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aufgegeben und die Antworten abgeholt hatte. Hartwig blieb stumm. Die Frauen, bei denen die Mädchen gewohnt, der Portier kamen und identifizierten Hartwig. Es blieb schließlich nichts anderes über, als ihn abführen und nach einer Zelle bringen zu lassen. Während aber die beiden hohen Beamten sich noch immer über die bodenlose Frechheit des Häftlings aufregten, schlich Krause den Polizisten nach und gab dem Aufseher des Polizeigefangenhauses Auftrag, Hartwig eine saubere, anständige Zelle zu geben, ihn allein zu lassen und seinen Wünschen, soweit es möglich sei, gerecht zu werden.
    Es war inzwischen spät nachts geworden und Dr. Clusius begnügte sich für heute damit, durch einen Laufzettel die Berichterstatter sämtlicher Berliner Zeitungen für den nächsten Morgen zu sich zu bitten.
    Die Mitteilungen über die Verhaftung des Schriftstellers Thomas Hartwig als vermutlichen Mörder der fünf Mädchen schlugen wie eine Bombe ein. Clusius gab einen kurzen Überblick über den Gang der Ereignisse, betonte, daß er und sein geschätzter Mitarbeiter Herr Krause noch nie vor einer so schwierigen Aufgabe gestanden wären, sagte bescheiden lächelnd: "Wir beide mußten unsere ganze kriminalistische Erfahrung, alles, was an "Witterung und Instinkt in uns liegt, zu Hilfe nehmen, um die Fährte des Mörders zu entdecken, und ich darf wohl behaupten, daß ich darüber manche schlaflose Nacht zugebracht habe."
    Zum Schluß aber machte er eine weitere sensationelle Mitteilung:
    "Herr Krause, der, wie viele von Ihnen wohl wissen dürften, eigentlich Joachim Freiherr von Dengern heißt und Doktor der Rechte ist, wurde von dem Posten eines Vertragsbeamten der Kriminalpolizei enthoben und zum königlich preußischen Kriminalkommissär ernannt."
    Schon die Mittags- und Abendblätter veröffentlichten seitenlange Artikel, die Sensation und Aufregung war ungeheuer, den Zeitungsverkäufern wurden die Blätter aus den Händen gerissen, auf den Straßen bildeten sich Gruppen, die den einzig dastehenden Fall besprachen, und abends trug im Metropole-Theater der beliebte Berliner Stegreifhumorist Adolfo Butterblum die Geschichte des Blaubartes von Berlin in Balladenform halb schaurig, halb pikant, mit einigen politischen Andeutungen gewürzt und erotisch durchdacht, vor.
    Aber die eigentliche Sensation begann erst. Die wahre Sensation war ja der Roman "Kämpfende Seelen". Hatte man denn je erlebt, daß ein man denn je erlebt, daß ein waschechter fünffacher Raubmörder einen Roman geschrieben und dieser Roman sogar als Buch erschienen war? Nein, das war noch nie dagewesen und wieder einmal konnte man sehen, wie dieses Berlin allen anderen Großstädten an Möglichkeiten überlegen ist. Natürlich mußte man im Morgenblatt unbedingt Stichproben aus dem Roman haben und die wenigen Exemplare, die man in Berlin vorfand, wurden von den Berichterstattern sofort angekauft. Aber die Hauptredakteure entwanden den Berichterstattern die Bücher, lasen den Roman wirklich und am nächsten Morgen veröffentlichten kluge, feine Männer Feuilletons über die "Kämpfenden Seelen", zeigten sich erschüttert, bezwungen, erklärten, vor einem psychologischen Rätsel zu stehen. Und der maßgebendste Literaturkritiker von Berlin schrieb:
    "Ein Buch, das in gewaltigen Tiefen schürft, ein Buch voll menschlicher Güte und letzter Erkenntnis, ein Roman, von dem man fast sagen möchte, daß seit einem Jahrzehnt kein besserer geschrieben worden ist. Und der Verfasser dieses Romanes soll ein Unhold, ein grauenhafter Verbrecher, ein Räuber und Mörder sein? Welch düsteres Rätsel steckt hinter all dem, welche entsetzlichen Vorgänge müssen sich in dem Herzen und Gehirn dieses Thomas Hartwig abgespielt haben, bevor er aus seiner kühnen, hohen Geisteswelt in die Untiefen des Verbrechens gestiegen ist!"
    Für den deutschen Buchhandel begannen welthistorische Tage. Ganz Deutschland, Österreich, die skandinavischen Länder schrien nach dem Roman "Kämpfende Seelen" und als sich die biederen Brüder Merker, die schon längst übereingekommen waren, die ganze Auflage als Makulatur zu verkaufen, von ihrem ersten Schrecken erholt hatten, rafften sie ihren nicht unerheblichen Geschäftssinn zusammen, erhöhten den Buchpreis auf das Dreifache, gaben Druckaufträge an die ersten Leipziger Druckereien, schlossen Verträge mit Expreßübersetzern ab und verkündeten nach einer Woche im Börsenblatt der Buchhändler, daß die ersten hunderttausend Exemplare ausverkauft

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