Der Freigeist
Bedenken gemacht haetten, ihn zugrunde zu richten.
Araspe . Das ist etwas; aber—
Theophan . Nein, fuer einen Mann von Ihrer Denkungsart, liebster Vetter, muss dieses nicht nur etwas, sondern sehr viel sein. Sie haben die Sache von dieser Seite noch nicht betrachtet; Sie haben den Adrast nur als einen verlornen Mann angesehen, an dem man zum Ueberflusse noch eine desperate Kur wagen muesse.
Aus diesem Grunde ist die Heftigkeit, mit der Sie wider ihn sprachen, zu entschuldigen. Lernen Sie ihn aber durch mich nunmehr unparteiischer beurteilen. Er ist in seinen Reden jetzt weit eingezogener, als man mir ihn sonst beschrieben hat. Wenn er streitet, so spottet er nicht mehr, sondern gibt sich alle Muehe, Gruende vorzubringen. Er faengt an, auf die Beweise, die man ihm entgegensetzt, zu antworten, und ich habe es ganz deutlich gemerkt, dass er sich schaemt, wenn er nur halb darauf antworten kann. Freilich sucht er diese Scham noch dann und wann unter das Veraechtliche eines Schimpfworts zu verstecken; aber nur Geduld! es ist schon viel, dass er diese Schimpfworte niemals mehr auf die heiligen Sachen, die man gegen ihn verteidiget, sondern bloss auf die Verteidiger fallen laesst. Seine Verachtung der Religion loeset sich allmaehlich in die Verachtung derer auf, die sie lehren.
Araspe . Ist das wahr, Theophan?
Theophan . Sie werden Gelegenheit haben, sich selbst davon zu ueberzeugen.—Sie werden zwar hoeren, dass diese seine Verachtung der Geistlichen mich jetzt am meisten trifft; allein ich bitte Sie im voraus, nicht empfindlicher darueber zu werden, als ich selbst bin. Ich habe es mir fest vorgenommen, ihn nicht mit gleicher Muenze zu bezahlen; sondern ihm vielmehr seine Freundschaft abzuzwingen, es mag auch kosten, was es will.
Araspe . Wenn Sie bei persoenlichen Beleidigungen so grossmuetig sind—
Theophan . Stille! wir wollen es keine Grossmut nennen. Es kann Eigennutz, es kann eine Art von Ehrgeiz sein, sein Vorurteil von den Gliedern meines Ordens durch mich zuschanden zu machen. Es sei aber, was es wolle, so weiss ich doch, dass Sie viel zu guetig sind, mir darin im Wege zu stehen. Adrast wuerde es ganz gewiss fuer ein abgekartetes Spiel halten, wenn er saehe, dass mein Vetter so scharf hinter ihm drein waere.
Dritter Aufzug
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Der Freigeist
Seine Wut wuerde einzig auf mich fallen, und er wuerde mich ueberall als einen Niedertraechtigen ausschreien, der ihm, unter tausend Versicherungen der Freundschaft, den Dolch ins Herz gestossen habe. Ich wollte nicht gerne, dass er die Exempel von haemtueckischen Pfaffen, wie er sie nennt, mit einigem Scheine der Wahrheit auch durch mich vermehren koennte.
Araspe . Lieber Vetter, das wollte ich noch tausendmal weniger, als Sie.—
Theophan . Erlauben Sie also, dass ich Ihnen einen Vorschlag tue:—oder nein; es wird vielmehr eine Bitte sein.
Araspe . Nur ohne Umstaende, Vetter. Sie wissen ja doch wohl, dass Sie mich in Ihrer Hand haben.
Theophan . Sie sollen so guetig sein und mir die Wechsel ausliefern, und meine Bezahlung dafuer annehmen.
Araspe . Und Ihre Bezahlung dafuer annehmen? Bei einem Haare haetten Sie mich boese gemacht. Was reden Sie von Bezahlung? Wenn ich Ihnen auch nicht gesagt haette, dass es mir jetzt gar nicht um das Geld zu tun waere: so sollten Sie doch wenigstens wissen, dass das, was meine ist, auch Ihre ist.
Theophan . Ich erkenne meinen Vetter.
Araspe . Und ich erkannte ihn fast nicht.—Mein naechster Blutsfreund, mein einziger Erbe, sieht mich als einen Fremden an, mit dem er handeln kann? (Indem er sein Taschenbuch herauszieht.) Hier sind die Wechsel! Sie sind Ihre! machen Sie damit was Ihnen gefaellt.
Theophan . Aber erlauben Sie, liebster Vetter: ich werde nicht so frei damit schalten duerfen, wenn ich sie nicht auf die gehoerige Art an mich gebracht habe.
Araspe . Welches ist denn die gehoerige Art unter uns, wenn es nicht die ist, dass ich gebe, und Sie nehmen?—Doch damit ich alle Ihre Skrupel hebe: wohl! Sie sollen einen Revers von sich stellen, dass Sie die Summe dieser Wechsel nach meinem Tode bei der Erbschaft nicht noch einmal fodern wollen. (Laechelnd.) Wunderlicher Vetter! sehen Sie denn nicht, dass ich weiter nichts tue, als auf Abschlag bezahle?—
Theophan . Sie verwirren mich—
Araspe (der noch die Wechsel in Haenden hat). Lassen Sie mich nur die Wische nicht laenger halten.
Theophan . Nehmen Sie unterdessen meinen Dank dafuer an.
Araspe . Was fuer verlorne Worte! (Indem er sich umsieht.) Stecken Sie hurtig
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