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Der Fremde aus dem Meer

Titel: Der Fremde aus dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy J. Fetzer
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und zog Querstriche für Ts. »Haben Sie mit ihm gesprochen?«
    »Nur kurz.« Sie runzelte die Stirn und erinnerte sich an O’Keefes altertümliche Ausdrucksweise.
    Markum richtete sich auf und widmete ihr zum ersten Mal seine ganze Aufmerksamkeit. »Ich hatte gehofft, Sie könnten mir helfen, Miss Hamilton.« Sanft zog er Penny von der Schwesternstation weg. Um vier Uhr dreißig morgens war es dunkel und still, doch der tiefe Ton seiner Stimme hallte laut durch die Gänge. »Es gibt da einige unerklärliche Dinge im Zusammenhang mit Mister O’Keefe.«
    Sie rückte ihre große Schultertasche zurecht. »Zum Beispiel?«
    Ihre distanzierte Haltung ließ ihn einen Augenblick zögern. »Er ist nicht gegen Kinderkrankheiten geimpft.«
    »Gegen keine einzige?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nicht einmal gegen Diphtherie oder Kinderlähmung. Und seine Zähne sind ein Rätsel für sich. Zwei sind gezogen.«
    »Das ist doch eine alltägliche Angelegenheit.«
    »Ich meine nicht auf chirurgische Weise gezogen, sondern buchstäblich aus seinem Gebiss gerissen. Und auf Grund von Röntgenaufnahmen haben wir festgestellt, dass dabei sein Kiefer gebrochen wurde.« Für den Bruchteil einer Sekunde weiteten sich ihre Augen. »Der Rest ist in gutem Zustand, ein wenig schief wegen des Verlusts der Backenzähne, und einige Löcher müssen gefüllt werden.« Er schob seine Brille nach oben. »Unser DDS gibt an, dass Mister O’Keefe einige haarrissfeine Brüche in Kinn und Wangenknochen hat, und seine Nase ist mindestens fünf Mal gebrochen.«
    Als er geendet hatte, nickte Penny zu O’Keefes Bett hin. »Was hat er dazu zu sagen?«
    »Nichts. Er beantwortet keine einzige Frage und hat sich auch geweigert, weitere Untersuchungen mitzumachen.«
    »Er hat ein Recht auf Privatleben, Doktor Markum.«
    Für einen Augenblick hatte der Diagnostiker vergessen, dass er zu der Schauspielerin sprach, die höchsten Wert auf ihre Privatsphäre legte. »Abgesehen davon, dass die Polizei Antworten braucht, die er nicht geben will, kann ich ohne weitere Informationen und Untersuchungen keine medizinischen Maßnahmen ergreifen.« Der Arzt machte ein Zeichen auf der Karte und steckte den Stift in die Brusttasche seines Kittels. »Nach der medizinischen Aktenrecherche ist Ramsey O’Keefe noch nie von einem niedergelassenen Arzt behandelt worden. Weder auf den Grand Islands noch in den USA.«
    Penny hob eine Braue. »Vielleicht ist es ihm ganz einfach gelungen, ohne Ärzte auszukommen.«
    »Dann muss er die Kraft eines Stieres haben. Denn dieser Mann hat so viele Narben, dass er ein Polizist oder Kriegsheld sein könnte.« Markum zögerte. Dann nahm er das Aluminium-Klemmbrett in die andere Hand und starrte seinen Patienten an. »Nein, er ist in Behandlung gewesen. Über seine aktuellen Verletzungen hinaus, die medizinisch versorgt werden müssen, hat er noch einige Narben auf dem Rücken. Und ich verwette mein Stethoskop darauf...«, sein Blick kehrte zu ihr zurück. »Sie sind das Ergebnis von Auspeitschungen.«
    »Vielleicht ein misshandeltes Kind?«, schlug sie schnell vor. Sie verdrängte das Bild, das sie im Geiste vor sich sah: Die Haut hing ihm in Fetzen vom Rücken herab. Es musste in der Kindheit geschehen sein. Der Vorfall im Krankenzimmer bedeutete also, dass er niemals wieder ein solches barbarisches Verbrechen ohne Gegenwehr über sich ergehen ließ.
    »Dafür sind sie zu ... frisch«, sagte er grimmig. »Aber einerlei. Ich kann ihn nicht weiter behandeln und ihn auch nicht entlassen, bei alledem, was er durchgemacht hat. Ich brauche Information,
    Miss Hamilton. Er wird nicht reden.« Sein Ton legte nahe, dass sie ihm die Antworten beschaffen musste, die er brauchte.
    Penny bezweifelte das.
    Sie hielt ihre Augen bedeckt, indem sie sich die Schläfen rieb. Aus den Angelegenheiten des Hippies sollte ich mich heraushalten, dachte sie, als sie das unverkennbare Klicken einer Kamera vernahm. Sie wollte schon in das Zimmer hineinschlüpfen. Doch als sie durch das Glas hindurch einen Blick auf O’Keefe erhaschte, blieb sie stehen.
    Er sollte da nicht mit hineingezogen werden, wo es doch um mich geht, dachte sie. Insbesondere dann, wenn zutraf, was Markum sagte. Auf dem Absatz kehrtmachend, schoss sie an dem Arzt vorbei, durchquerte den Vorraum, streckte ihre Arme aus, während sie kurz in der dunklen Nische verschwand.
    »Ach, kommen Sie, Miss Hamilton. Nur ein Bild«, hörte Dr. Markum eine Stimme sagen und trat näher heran, wobei er stirnrunzelnd

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