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Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Titel: Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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trieb. Darin könnte für uns eine große Chance stecken.«
    Auch Karen stand auf. »Ich fürchte, ich habe Ihnen alles gesagt. Dennoch zerbreche ich mir natürlich ständig den Kopf, und vielleicht fällt mir ja tatsächlich noch etwas ein.« Sie glaubte es nicht wirklich. Wer immer der Mörder der Lenowskys gewesen war, er hatte sich sehr geschickt verhalten. Niemand hatte ihn zu Gesicht bekommen. Außer der schrecklichen Tat selbst hatte er keinerlei Spuren hinterlassen.
    Eine Frage brannte noch auf ihrer Zunge, die ganze Zeit schon, aber sie hatte bislang nicht gewagt, sie zu stellen, weil sie die Antwort fürchtete. Kronborg, der sie wie stets sehr genau und eindringlich musterte, begriff, dass sie etwas bedrückte.
    »Ja?«, fragte er.
    Sie schluckte. »Ich … wollte nur wissen … Sie sagten, der Täter habe Greta Lenowsky mit Messerstichen getötet. Wie … nun, wie kam Fred Lenowsky ums Leben?«
    Auch Kronborg zögerte einen Moment. »So, wie Sie ihn gefunden haben«, sagte er dann. »Sein Mörder hat es sich leicht gemacht – und Fred Lenowsky sehr schwer. Er hat ihn dort ins Bad gesetzt und gefesselt und den Kopf nach oben gebunden, einen Knebel in den Mund gesteckt, und ihn dann einfach sitzen lassen. Lenowsky ist verhungert und verdurstet, er hatte sicher mit Atemnot zu kämpfen wegen des Knebels, und der hochgebundene Kopf muss ihm nach einigen Stunden unerträgliche Schmerzen bereitet haben. Lenowsky ist sehr langsam und sehr qualvoll gestorben.«
    »Aber …« Sie konnte Kronborg nicht ansehen, sie starrte an die gegenüberliegende Wand ihres Wohnzimmers, betrachtete angelegentlich den kleinen gerahmten Druck eines
Sonnenblumenfeldes von van Gogh, der dort hing. Es war zu schlimm, was sie hörte; für den Moment konnte sie ihr Entsetzen, das in ihren Augen zu lesen sein musste, mit niemandem teilen. »Aber … warum … so … so entsetzlich grausam? «
    »Hass«, sagte Kronborg, »hinter dieser Tat steckt ein atemberaubender Hass. Und das bringt mich immer wieder an den Punkt, inzwischen mit ziemlich großer Sicherheit zu glauben, dass die Lenowskys nicht die zufälligen Opfer irgendeines Irren geworden sind. Da war jemand krank vor Hass auf Fred Lenowsky, und der Moment in Lenowskys Leben, da dieser Hass entstand, da die Voraussetzungen dafür geschaffen wurden – und daran muss Lenowsky wissentlich oder unwissentlich beteiligt gewesen sein –, dieser Moment muss zu finden sein. Dann kommen wir weiter.«
    »Ich hoffe, Sie finden diesen Moment«, sagte Karen. Ihre Stimme klang brüchig.
    »Das hoffe ich auch«, sagte Kronborg.
    6
    Als Inga Schritte auf der Treppe hörte, erstarrte sie und hielt sofort inne in ihren unaufhörlichen Versuchen, ihre Fesseln zu lockern. Die Wäscheleine war schon viel nachgiebiger geworden, aber es war noch nicht daran zu denken, sie abzustreifen. Wenn Marius nun jedoch feststellte, dass sie sich auf dem Weg zur Befreiung befand, würde er in Sekundenschnelle ihre Arbeit von Stunden zunichte machen. Und am Ende auch noch wütend werden. Sie hatte Angst vor ihm. In Wut mochte sie ihn nicht erleben.
    Er beschäftigte sich eine Weile in der Küche. Geschirr
klapperte, Gläser klirrten. Dann zog Kaffeeduft durch das Haus. Inga spürte wieder brennend ihren Durst. Sie hatte auch Hunger, aber der war nicht so schwer zu ertragen. Der Durst quälte sie weit mehr.
    Eine Viertelstunde später kam Marius ins Zimmer, einen großen Becher Kaffee in der Hand. Er trank jedoch selbst daraus, offenbar hatte er ihn nicht für Inga bestimmt. Lautlos und inbrünstig betete sie, er möge sich nicht ihre Fesseln ansehen.
    »Marius«, sagte sie, »ich habe so schrecklichen Durst.«
    Er trat an sie heran und hielt ihr seinen Kaffee unter die Nase, aber sie schüttelte den Kopf. Sie wusste, dass Kaffee dem Körper Wasser entzieht; es schien ihr nicht ratsam, davon zu trinken.
    »Könnte ich ein Glas Wasser haben?«, fragte sie.
    Er überlegte. »Warum nicht?«, meinte er schließlich. »Ich habe nichts gegen dich, Inga, wirklich nicht. Ich verstehe nur nicht, wieso du dich mit dem Stück Dreck da oben eingelassen hast.«
    Sie versuchte es erneut. »Weil ich nichts über sie weiß. Im Unterschied zu dir. Du weißt etwas, aber wenn du mir nicht davon erzählst, werde ich nie begreifen, weshalb sie ein … ein Stück Dreck ist.«
    Wieder überlegte er. Endlich schien er so etwas wie Logik in ihren Worten zu erkennen. »Du hast Recht. Du kannst es eigentlich nicht wissen.«
    »Ja, siehst du, und

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