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Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Titel: Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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etlichen seiner Törns dabei gewesen war. Das Mittelmeer war nicht mehr blau und heiter und sonnenglitzernd, sondern tiefschwarz und wild, feindselig und lebensbedrohlich.
    Sie kauerte sich auf den Boden der Kajüte, die Knie eng an den Körper gezogen, die Arme um das Tischbein geklammert, und versuchte zu überlegen, was sie nun tun sollte.
Trotz ihrer prekären Lage schaffte sie es kaum, sich auf die Gedanken um ihre Rettung zu konzentrieren; immer wieder schweifte sie ab und schlug sich mit der Frage herum, was in Marius gefahren war, woher seine Veränderung rührte, weshalb sie nicht früher bemerkt hatte, dass es befremdliche, hoch aggressive und möglicherweise gefährliche Seiten in ihm gab. Oder hatte sie es bemerkt? Hatte es Anzeichen gegeben, die sie nicht hatte sehen wollen, die sie erfolgreich von sich weggeschoben und schließlich völlig verdrängt hatte? Wenn sie ehrlich mit sich war, wusste sie, dass es Situationen gegeben hatte, in denen er ihr undurchsichtig erschienen war. Natürlich auch Momente der Wut und Aggression. Aber bei welchem Menschen gab es die nicht?
    Und wie hing das alles mit Rebecca zusammen? Eine fremde Frau, deren Bekanntschaft sie rein zufällig gemacht hatten, die sich zugleich aber derart distanziert verhielt, dass man von Bekanntschaft eigentlich nicht einmal sprechen konnte. Rebecca hatte früher in München gelebt. Sie, Inga, und Marius stammten ebenfalls von dort. Es mochte einen Punkt gegeben haben, an dem sich Marius’ und Rebeccas Lebensläufe irgendwann in der Vergangenheit gekreuzt hatten.
    Marius hatte Rebeccas Namen mehrfach genannt, vorhin, in dieser absurden Situation, die sie anfangs für ein Spiel gehalten hatte, ehe ihr klar wurde, dass er es ernst meinte. Und er hatte Hass verströmt; sie hätte nicht einmal diesen fremden und bedrohlichen Ausdruck in seinen Augen sehen müssen, um das zu spüren. Nicht nur Hass: eine maßlose Wut, Gekränktheit, alle möglichen verletzten Gefühle waren darunter gewesen.
    Marius. Der immer fröhliche, immer unkomplizierte Marius. Für ihren Geschmack häufig zu fröhlich, zu unkompliziert. Wie oft hatte sie gemeint, dass sie ihn gern ein wenig ernsthafter und achtsamer hätte, vorausschauender, weniger
bedenkenlos in den Tag hinein lebend. Aber, hatte sie dann oft gedacht, ihm ist vielleicht nie irgendetwas zugestoßen im Leben. Alles ist immer problemlos für ihn gelaufen. Woher sollte er Ängste und Sorgen und Schwierigkeiten kennen?
    Offenbar hatte sie sich gründlich getäuscht. In seinem Leben gab es Untiefen, die er absichtlich verschwieg, die jedoch lange schon in ihm arbeiteten, und die nun …
    Sie fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, als könne sie damit ihre Gedanken zum Schweigen bringen. Sie hatte jetzt Wichtigeres zu tun, als sich in den vergeblichen Versuch zu stürzen, Marius’ Charakter zu analysieren. Dafür blieb später Zeit. Sie musste dieses verdammte Schiff an Land bringen. Sie musste ihr Leben retten.
    Den Schmerz in ihrer Schulter mit zusammengebissenen Zähnen ignorierend, kroch sie erneut zur Treppe, spähte nach oben. Sie beschloss, als Erstes das wild schlagende Segel einzuholen und dann mit reiner Motorkraft zu versuchen, den Hafen zu erreichen. Zum Glück war sie noch immer so nah an der Küste, dass sie sich orientieren konnte; sie hatte auch immer noch Sicht auf das Cap Sicié, und dies bot ihr einen Anhaltspunkt dafür, wo ungefähr der Hafen von Le Brusc liegen musste. Das Problem war, das Segel abzufieren, ohne dass ihr dabei der Baum den Kopf einschlug. Kurz kam ihr der Gedanke, ob dies vielleicht Marius’ Verschwinden erklärte. Vielleicht hatte er sie gar nicht verlassen, wozu auch, schließlich hatte er vorgehabt, das Schiff irgendwo zu verhökern und sich dann mit dem Geld abzusetzen. Vielleicht hatte ihn das Segel über Bord gefegt. Sie erinnerte sich an das letzte Bild, das ihr vor Augen gestanden hatte, ehe sie das Bewusstsein verlor: Marius oben in der Tür zum Niedergang, schwankend im Sturm, aber aufrecht. Möglicherweise hatte er nicht mehr auf die Gefahr durch den Baum geachtet.
    Dann könnte er tot sein.

    Er hatte seine Schwimmweste angehabt, daran erinnerte sie sich genau. Aber wenn er besinnungslos war und mit dem Gesicht nach unten im Wasser trieb … Abgesehen davon konnte ein solcher Schlag einen Menschen auch umgehend töten. Oder eine Gehirnblutung auslösen.
    Sie erklomm die Treppe, kroch an die Reling. Eine Welle schwappte über das Boot; Inga konnte sich

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