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Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Titel: Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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diese Möglichkeit in Erwägung zu ziehen. Sie hatte es einmal geschafft, sie würde es wieder schaffen. Nur nicht sofort. Leider nicht sofort.
    Um halb fünf gestand sie sich ein, dass die beiden Fremden aus Deutschland ihr im Kopf herumgingen, Inga und Marius, die vermutlich bereits von ihrem Ausflug mit der Libelle zurückgekehrt waren und nun im Hafen von Le Brusc darauf warteten, abgeholt zu werden.
    Was, zum Teufel, gehen sie mich an?, dachte sie aggressiv. Maximilian hat sie angeschleppt, und er hat sie nun sitzen lassen, und das alles ist nicht mein Problem. Sollen sie alleine sehen, wie sie hierher kommen!
    Sie fand diese Inga sympathisch. Eigentlich hatte sie derartige Gefühle – Zuneigung, Sympathie – in ihrem Leben nicht mehr zulassen wollen, aber manchmal argwöhnte sie, dass sich Dinge, die man ausschließen wollte, mit besonderer Beharrlichkeit einzuschleichen pflegten. Inga hatte ihr gefallen, das war leider so. Eine intelligente, sehr offene, anderen Menschen zugewandte junge Frau. Dieser Marius mochte ein Luftikus sein – obwohl sie auch eine abgründige Seite in ihm witterte, ohne die Lust zu verspüren, sie auszuloten –, Inga jedenfalls war ganz sicher eine ernsthafte und nachdenkliche Person. Rebecca hatte solche Menschen immer gemocht. Ernsthaftigkeit und die Fähigkeit zu anhaltendem Engagement waren die Grundvoraussetzungen, nach denen sie früher Mitarbeiter in ihrem Verein eingestellt hatte.
    Sie stand im Wohnzimmer und schaute über den Garten zum Meer hinüber und schlug sich schmerzhaft die Fingernägel in die Innenseite ihrer Hand. Wenn sie nicht aufpasste,
würde sich Maximilians unerwünschter Besuch noch wie eine Art Dammbruch auswirken. Auch den Verein, die Tätigkeit, die Mitarbeiter, die Klienten, sie alle hatte sie rigoros und erfolgreich seit Monaten aus ihren Gedanken verbannt. Jetzt spukten auch sie wieder herum.
    »Geht doch alle zum Teufel!«, rief sie laut.
    Ihre Stimme hallte in der Stille des Hauses. Das einzige Geräusch, das hinterher blieb, war das Ticken der Uhr auf dem Kaminsims. Zwanzig vor fünf inzwischen.
    Sie ging in die Diele hinüber, nahm zögernd den Autoschlüssel vom Schlüsselbrett. Machte sie alles schlimmer, wenn sie jetzt zum Hafen hinunterfuhr und die jungen Leute auflas? Oder war es letztlich nur vernünftig, etwas zu tun, wozu es sie drängte, und was sie offenbar für diesen Tag ohnehin nicht aus ihrem Bewusstsein verbannen konnte?
    Ich fahre jetzt und hole sie ab, dachte sie, und dann mache ich ihnen klar, dass ich keinen weiteren Kontakt wünsche. Sie sind eine Episode, wie Maximilian eine ist. Das alles wird vorübergehen.
    Sie hatte das Brausen des Windes zwar gehört, aber nicht wirklich realisiert, und so traf sie die Wucht des Sturms unvorbereitet, als sie vor die Haustür trat. Der Himmel war tiefblau, ein paar zerfetzte Wolken jagten über ihn dahin, die Bäume bogen sich, laut scheppernd flog eine Gießkanne über den Gartenweg. Rebecca musste sich mit gesenktem Kopf durch den Wind zur Garage hinüberkämpfen. Der Mistral war noch einmal mit ganzer Kraft und stärker als in der vergangenen Nacht zurückgekehrt.
    Die haben Glück, wenn ihr Zelt nachher noch steht, dachte sie und schauderte bei dem Gedanken, dass sie die beiden bei sich aufnehmen müsste, wenn sie kein Dach über dem Kopf mehr hätten.
    Auf dem Weg hinunter zum Dorf musste sie immer wieder
bremsen und Ästen ausweichen, die über die Straße geflogen kamen. Der Mistral konnte Gartenmöbel in alle Himmelsrichtungen davonblasen, und man konnte sich in seine Böen hineinfallen lassen und wurde von ihnen getragen. Felix hatte den Mistral geliebt, er war von ihm fasziniert gewesen.
    Ich denke jetzt nicht an Felix!
    Die meisten Touristen hatten den Strand und die Uferpromenade verlassen und sich in ihre Quartiere zurückgezogen, und so war es kein Problem für Rebecca, sofort einen Parkplatz zu finden. Es gelang ihr kaum, die Autotür von innen aufzudrücken. Als sie ausstieg, wäre sie fast mit einem Papierkorb aus Metall kollidiert, den der Wind aus seiner Verankerung gerissen hatte und nun wie eine Feder vor sich her trieb.
    Es war um etliche Grade kühler geworden, was aber nach den tagelangen Temperaturen an die vierzig Grad durchaus angenehm war. Rebecca schätzte, dass das Thermometer knapp unter die Dreißiger-Marke gefallen war. Zum ersten Mal seit langem würde man nachts wieder besser schlafen können. Es sei denn, es gab andere Gründe, die den Schlaf

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