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Der Fremde ohne Gesicht

Der Fremde ohne Gesicht

Titel: Der Fremde ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel McCrery
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Überstundenkontingent für dieses Jahr ist trotzdem weg. Vergiss nicht, dass das unser vierter großer Fall dieses Jahr ist, und dabei haben wir erst August.«
    Sharman war nicht berauscht von dem Angebot. »Du warst schon immer ein Geizkragen, Dick.«
    »Es liegt nicht an mir, es liegt am System. Tut mir Leid, Mann, aber mehr kann ich nicht tun. Nimm, was du kriegen kannst, oder lass es bleiben.«
    Sharman wusste, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als das Angebot anzunehmen. Das war auch Meadows klar. »Du hast mich bei den Eiern, Dick, und das weißt du ganz genau.«
    »Stan, ich halte hier meinen Kopf für dich hin. Wenn du das nur begreifen würdest.«
    Das stimmte vermutlich sogar. Trotzdem war Sharman noch nicht zufrieden. »Wirst du bei Wards Vernehmung dabei sein?«
    Meadows nickte. »Ich hoffe es.«
    Sharman überlegte einen Moment. »Tu mir einen Gefallen.«
    »Was, noch einen?«, erwiderte Meadows mit einem verzweifelten Seufzen.
    »Okay, dann tu eben dir selber einen Gefallen. Frag Ward, ob er segelt.«
    Meadows runzelte die Stirn. »Ob er was?«
    »Ob er segelt. Du weißt schon, mit dem Boot.«
    »Verheimlichst du mir irgendwas, Stan?«
    »Erinnerst du dich an die Knoten, mit denen sie gefesselt war? Erzähl mir hinterher, was er gesagt hat. Dann erkläre ich dir meine Theorie.« Damit machte Sharman kehrt und stampfte ohne ein weiteres Wort aus dem Büro.
    »Denk dran, zwei Wochen!«, rief Meadows ihm hinterher. Aus seiner Sicht war das ein befriedigendes Ergebnis. Er hatte erst einmal Ruhe vor Sharman und vor allem war sichergestellt, dass er Adams nicht in die Quere kam. Und er würde verdammt gute Beweise liefern müssen, um ihn dazu zu bringen, ausgerechnet jetzt zu Adams zu gehen. Er traute Sharman eine Menge zu, aber er glaubte nicht, dass er in diesem Fall genug ausgraben würde. Wie kam er auf Segeln? Aber er kannte Sharman zu gut, um die Bitte zu ignorieren. Wenn Stan so weit war, würde er ihm schon reinen Wein einschenken. Er griff nach der Zeitung, die er gerade gelesen hatte, bevor Sharman hereingekommen war, und wandte ihr wieder seine volle Aufmerksamkeit zu.
     
    Nach der Aufregung um den Fall Clarke war der Alltag wieder eingekehrt. »Es gibt immer Leichen und es gibt immer was zu schneiden«, wie Fred so gerne sagte. Nichts besonders Interessantes. Herzanfälle, Gehirnschläge, hin und wieder eine ungeklärte Todesursache. Sam hatte den Bericht über Sophie Clarke schneller als gewöhnlich fertig gestellt. Trevor Stuart kampierte in ihrem Büro, bis er fertig war, und das war Anreiz genug für sie, die Arbeit so schnell wie möglich abzuschließen. Mehr als das Offensichtliche stand sowieso nicht darin. Todesursache: Strangulation. Ja, sie war vaginal und anal vergewaltigt worden, und offenbar war dabei auch ein Gegenstand eingesetzt worden, vielleicht eine Flasche. Außerdem war sie vor ihrem Tod für einige Zeit gefesselt und gefoltert worden. Kleine Schnittwunden und Brandmale bedeckten Brust, Lippen, Anus, Vagina und Hals. Aus der Vagina hatte Sam Spermaproben entnehmen können, aber nicht aus dem Anus, wo offenbar nur ein Gegenstand benutzt wurde. Es war schon ein seltsames Gefühl, Befriedigung darüber zu empfinden, dass jemand vergewaltigt worden war. Nicht Befriedigung über das Leiden des Opfers, sondern darüber, dass man dadurch zumindest Spuren sichern konnte, die äußerst hilfreich waren, um einen Schuldigen zu überführen. Keine langen, fruchtlosen Vernehmungen von Verdächtigen mehr – eine kleine Spermaprobe und man wusste Bescheid, ob jemand schuldig war oder nicht.
    Sie fragte sich, wie Ward, der wusste, dass es wissenschaftliche Beweismittel gab, die ihn entweder überführen oder seine Unschuld erweisen würden, sich wohl im Moment fühlte. Eigentlich brauchte er der Polizei gar nichts zu sagen; der DNS-Test allein würde ihn fast mit Sicherheit ans Messer liefern. Kein Wunder, dass die Anwälte alles daransetzten, um die wissenschaftlichen Grundlagen in Misskredit zu bringen. Aber das war ein aussichtsloses Unterfangen.
    Ein leises Klopfen an der Tür unterbrach sie in ihren Gedanken. Sie blickte auf. In der Tür stand Stan Sharman und spähte zu ihr herein. Seiner Miene nach zu urteilen war es etwas Ernstes.
    »Hallo, Stan, was kann ich für Sie tun?«
    »Hätten Sie einen Moment Zeit, Dr. Ryan?«
    »Nachdem Sie quer durch Cambridge gefahren sind, um mich zu sprechen, wäre es ziemlich unhöflich von mir, Sie wieder wegzuschicken. Wenn es so ernst ist

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