Der Fremde ohne Gesicht
ließ sie sofort allein. Quick sah seinen Klienten an.
»Nun, Stan, das ist ja ein schönes Durcheinander. Was ist los?«
Sharman winkte ab. »Adams schreit mal wieder auf dem falschen Bein Juchhu.«
»Das sieht er aber anders, sonst wären Sie nicht hier.«
Sharman biss sich auf die Lippe. Quick hatte Recht, auch wenn es ihm nicht gefiel.
»Haben Sie Rogers aufgesucht, kurz bevor er ermordet wurde?«
»Ich war am selben Tag bei ihm. Ob es kurz vorher war, weiß ich nicht.«
Quick schaute in seine Unterlagen. »Nach Einschätzung von Dr. Stuart wurde er gegen fünfzehn Uhr getötet. Wann waren Sie bei ihm?«
Sharman überlegte. »Gegen zwei. Ich habe nicht auf die Uhr geschaut.«
»Und wie lange waren Sie mit ihm zusammen?«
Er dachte wieder angestrengt nach. »Höchstens eine halbe Stunde.«
»Warum haben Sie ihn aufgesucht?«
Sharman sah Sam Hilfe suchend an. Sie zuckte die Achseln.
»Ich habe in dem Mordfall Clarke ermittelt.«
Quick sah ihn verdutzt an. »Ich dachte, von dem Fall seien Sie entbunden worden?«
Sharman wusste nicht genau, wie viel er dem Anwalt anvertrauen sollte. Er gehörte nicht zu den Leuten, die zu anderen leicht Vertrauen fassen. »Ich habe sozusagen ein bisschen Heimarbeit gemacht.«
»Dumm von Ihnen. Ich nehme an, es geht dabei mehr um Ihre Fehde mit Adams als um Ihr ausgeprägtes Streben nach Gerechtigkeit.«
Sharman war beeindruckt. »Ein bisschen von beidem.«
»Wie soll das funktionieren?«
»Ich kriege ein Ergebnis und er steht da wie ein Trottel.«
Quick lehnte sich zurück. »Im Moment hat er ein Ergebnis und Sie stehen da wie ein Trottel.«
Sharman verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Quick hatte die unangenehme Gewohnheit, immer Recht zu haben.
Nach einer Stunde hatte der Anwalt Sharman so ziemlich jede Frage gestellt, die man sich denken konnte, und dazu noch einige, auf die Sharman nie gekommen wäre. Quick hatte ihn sogar dazu gebracht, zuzugeben, dass er Rogers geschlagen hatte, was er sich nie hätte träumen lassen, egal, wer ihn danach fragte. Sharman war sogar so beeindruckt davon, wie Quick ihn durch die Mangel gedreht hatte, dass er insgeheim spekulierte, ob aus dem Anwalt nicht ein großartiger Polizist hätte werden können. Andererseits verdiente Quick dreimal so viel wie er und dafür musste er sich noch nicht einmal die Hände schmutzig machen. Es lag also auf der Hand, wer von ihnen die besseren Entscheidungen im Leben getroffen hatte.
Während Quick seine Unterlagen einpackte, blickte er hinüber zu Sam. »Möchten Sie beide noch ein paar Minuten haben, um Ihre Strategie zu planen?«
Beide nickten, während Quick seinen Aktenkoffer zuschnappen ließ.
»Ich kann Ihnen nur ein paar Minuten verschaffen, also beeilen Sie sich.«
Sobald Quick das Zimmer verlassen hatte, fing Sharman an. »Hören Sie, Sie sind jetzt auf sich allein gestellt, Sam. Seien Sie also verdammt vorsichtig. In dieser Sache stecken ein paar ziemlich raue Burschen drin. Am liebsten würde ich Ihnen sagen, Sie sollen sich aus der Ermittlung raushalten, aber da Sie jetzt meine einzige Hoffnung sind, kann ich das nicht.«
»Was soll ich tun?«
»Suchen Sie Detective Sergeant Bill Hemming in King’s Lynn auf. Sehen Sie zu, was Sie über Spade erfahren können. Versuchen Sie herauszufinden, wo er ist. Er ist mit Sicherheit der Schlüssel zu dem Mord an dem Mädchen.«
Sam machte sich mehr Gedanken über Sharmans gegenwärtige Lage. »Was ist mit Ihnen?«
»Das wird sich von allein klären. Außer der Tatsache, dass ich bei ihm war, kurz bevor er starb, haben sie nichts gegen mich in der Hand. Keine gerichtsmedizinischen Beweise, kein Augenzeuge und ein Geständnis kriegen sie ganz bestimmt nicht.«
Sie überlegte einen Augenblick. »Woher zum Teufel wussten sie dann, dass Sie da waren, und vor allem, wo sie Sie finden würden?«
»Ein anonymer Tipp, wie es scheint.«
Sam lachte freudlos. »Schon wieder. Die Leute in Grantchester verbringen offenbar ihre ganze Zeit hinter dem Vorhang, denen entgeht nichts.«
Er richtete sich auf und sah sie an. »Ich glaube, die Sache ist etwas ernster. Wer immer dahinter steckt, wollte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Rogers ist tot und ich sitze im Bau. Nicht schlecht für einen Tag Arbeit.«
Sie seufzte. »Sind Sie sicher, dass Sie zurechtkommen?«
Er nickte. »Ja, ich komme schon klar. Ich hoffe nur, dass Adams beschließt, mich selbst zu vernehmen. Dann kann ich mir wenigstens den Spaß machen, ihn in seine
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