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Der Fremde ohne Gesicht

Der Fremde ohne Gesicht

Titel: Der Fremde ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel McCrery
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Laborkittel. Sie hatte keinen BH an. Was sie wohl sonst noch alles nicht anhatte? Andys Stimme antwortete sofort. »Schicken Sie sie bitte herein.«
    Die junge Frau deutete auf die Tür. »Bitte gehen Sie durch.«
    Sam tat es und trat nach einem leichten Klopfen an die Tür ein. Herman war bereits auf den Beinen und machte Kaffee. Er war versessen auf Kaffee. Instantkaffee würde er nie anrühren. Er kaufte nur bei einem Mann auf dem Markt, der sich auf Kaffee und Tee spezialisiert hatte und eine wunderbare internationale Auswahl hatte.
    »Ich habe eine neue kubanische Mischung, die du unbedingt probieren musst. Setz dich.«
    Sam machte es sich auf einem Sessel bequem, während Herman zwei Becher einschenkte.
    »Deine neue Rezeptionistin macht einen sehr netten Eindruck. Ganz anders als Betty.«
    Herman lachte. »Ein bisschen. Betty war großartig auf ihre Weise, aber für eine Privatpraxis braucht man jemanden mit etwas mehr Sexappeal, wenn du verstehst, was ich meine.«
    Sie verstand ihn nur zu gut. Wie die meisten Männer in seinem Alter hatte Andy gerade seine Midlife-Crisis.
    »Sie ist Holländerin.« Da hatte Sam wohl falsch gelegen. »Ich habe sie vor ungefähr einem Monat direkt aus einer der Sprachschulen aufgelesen. Sie ist sehr gut.«
    Die Ausdrücke »aufgelesen« und »sehr gut« erschienen Sam sehr passend gewählt.
    Er brachte die Kaffeebecher und stellte sie auf dem Tisch ab. »Nun, Sam, ist dein Besuch privater oder beruflicher Natur?«
    Sie nippte an ihrem Kaffee. Er war köstlich. »Weder noch. Ich brauche Informationen über eine deiner Patientinnen.«
    Herman verzog besorgt das Gesicht. »Unmöglich, Sam. Das solltest du doch wissen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Versteh mich nicht falsch. Ich will keine Einzelheiten wissen, ich brauche nur einen allgemeinen Eindruck. Verstehst du?«
    Er war sich nicht ganz sicher. »Welche Patientin?«
    Sie atmete tief durch. »Sophie Clarke.«
    Er setzte seinen Becher ab. »Ich kann dir nur das sagen, was ich der Polizei gesagt habe. Die Unterlagen sind vertraulich und ich bin verpflichtet, über ihren Inhalt Stillschweigen zu wahren. Das weißt du, Sam.«
    Nach einem weiteren Schluck von dem exzellenten Kaffee stellte Sam ihren Becher neben seinem ab. »Ich bin nicht die Polizei, Andy, und ich will nicht in ihre Akte schauen. Ich will dir nur ein paar allgemeine Fragen stellen, um ein Gefühl für die Frau zu bekommen.«
    Herman überlegte einen Moment. »Du wolltest schon immer mehr über die Menschen in Erfahrung bringen, als ihre Leichen dir verraten konnten, nicht wahr, Sam?«
    Sie schenkte ihm ein Lächeln. Er hatte schon seit längerem ein Auge auf sie geworfen und jetzt war der Zeitpunkt, daraus Kapital zu schlagen.
    »Okay, schieß los, aber ich kann dir nicht garantieren, dass ich auf alles antworte. Und das ganze Gespräch ist natürlich streng vertraulich.«
    »Seit wann war Sophie Clarke deine Patientin?«
    »Seit etwa einem Jahr.«
    »Warum?«
    Er dachte über die Frage nach. Er wollte sie beantworten, aber ohne zu viele Einzelheiten preiszugeben. »Vor allem wegen Depressionen.«
    »Worüber war sie denn deprimiert? Sie hatte doch alles, was sie sich nur wünschen konnte. Einen berühmten, einflussreichen Mann. Einen luxuriösen Jet-Set-Lebensstil. Was wollte sie denn noch mehr?«
    Er zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, aber sie war nicht glücklich.«
    Geld ist nicht alles, dachte Sam. »Lag es an ihrem Mann? Dass er älter ist als sie?«
    Herman schüttelte bedächtig den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht, mit ihm schien sie durchaus glücklich zu sein. Es kommt nicht nur aufs Alter an, weißt du.«
    Da spricht ein Mann, der eine Krise durchmacht, dachte sie.
    »Clarke war reich, erfolgreich und mächtig. Das können sehr attraktive Eigenschaften sein.«
    Er hatte natürlich Recht, aber sie fragte sich, ob er als Fachmann sprach oder aus persönlicher Erfahrung. »Was war es denn dann?«
    »Ich bin nie richtig dahinter gekommen. Sie war keine Frau, die leicht aus sich herausging. Sie hielt viele Dinge zurück, weil sie geradezu Angst davor hatte, darüber zu sprechen.«
    Sam stürzte sich auf das entscheidende Wort. »Angst?«
    Er nickte. »Ja, Angst spielte zweifellos eine Rolle. Irgendetwas oder irgendjemand setzte ihr ziemlich zu.«
    Sie sah ihn gebannt an. »Hast du eine Ahnung, wer?«
    »Nicht die geringste. Ich habe sie danach gefragt und auf versteckte Hinweise gehorcht. Aber sie wollte nie etwas sagen.« Er dachte einen Moment lang

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