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Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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ohnedies nicht gut im Mattenflechten.« Er machte den Mund zu und fixierte Si-Amun.
    Einen Augenblick lang starrten sie sich an, und Si-Amun wollte es so vorkommen, als ob der Haushofmeister in dem Schweigen Vertrauen fasste und wieder sein unverschämtes Selbst annahm, während er immer schwächer wurde. Die Erregung verflüchtigte sich allmählich und hinterließ ein Frösteln, wirre Entschlossenheit und abnehmende Willenskraft. Er wusste, wenn er nicht bald zustach, würde er sich davonstehlen und auf ewig Schande über sich bringen. Der Elfenbeingriff lag so warm in seiner Hand.
    Er packte ihn fester und trat näher. Mersu sah ihn kommen. Nur die angespannten Stränge am Hals und ein Zucken um den Mund verrieten sein wachsendes Entsetzen. Si-Amun holte rasch und tief Luft und stieß Mersu den Dolch in den Bauch. Der Haushofmeister ächzte, griff nach der Waffe und umfasste in seiner Qual die Klinge. Blut tränkte seinen Schurz und lief ihm bereits die Beine hinunter. Si-Amun spürte es warm und feucht auf seinen Fingern. »Das ist für mich«, flüsterte er. Mersus Augen waren schreckgeweitet. Si-Amun stemmte sich gegen seine Brust und riss sein Messer heraus, packte Mersu am Nacken und stieß ihm die befleckte Klinge unter dem Ohr in den Schädel. Mersu zuckte und fiel zu Boden. »Und das ist für meinen Vater«, keuchte Si-Amun.
    Er brach auf dem Lager zusammen und betrachtete schwer atmend seine Hände. Überall Blut, etwas war sogar bis zum Ellenbogen gespritzt. Seine Brust war damit verschmiert und sein Schurz voller Flecke. Mersu lag zusammengekrümmt vor ihm und starrte mit blicklosen Augen auf seine Füße. Si-Amun wartete darauf, dass sein Herz aufhörte zu hämmern, und zwang sich, nur noch wahrzunehmen, was in jedem einzelnen Augenblick geschah. Als sich sein Herz langsam beruhigte, verspürte er Mitleid mit ihm und musste über seine eigene Dummheit lächeln.
    Der Alabasterkrug stand noch da, wo er ihn vor einer Ewigkeit hingestellt hatte. Er stand auf, hob ihn hoch und nahm ihn mit zum Lager. Kamose wird ein besserer Nomarch, als ich jemals geworden wäre, dachte er, während er sich mit dem Siegel abmühte. Er macht sich wenig aus Äußerlichkeiten und viel aus dem Wohlergehen der Nomarchen, während ich immer nur an die Herrlichkeiten von Auaris und an einen Platz neben dem König gedacht habe. Fluch über ihn! Kamose wird Aahmes-nofretari heiraten, so bestimmt es das Gesetz der Maat für uns, und er wird meinen Sohn als seinen eigenen annehmen. Bei dem Bild seiner Frau und seines Kindes neben ihr, wie sie beide nackt und schläfrig in der Nachmittagshitze dalagen, drückte er die Augen ganz fest zu. Dann warf er einen neugierigen Blick in den Krug, in dem eine kleine Menge einer dunklen Flüssigkeit zitterte. Er roch vorsichtig daran. Sie hatte keinen Geruch. Behutsam, damit er nichts davon auf seine Hand verschüttete, hob er ihn, trank und verzog dabei das Gesicht, denn die Flüssigkeit schmeckte scheußlich und bitter.
    Auf der Stelle fing seine Kehle an zu brennen, und der Schweiß brach ihm am ganzen Körper aus. Mit zusammengebissenen Zähnen, denn das Feuer verbreitete sich in seinem Magen, stöpselte er den Krug zu und stellte ihn auf Mersus Tisch, doch dann stellte er fest, dass er sich nicht mehr aufrichten konnte. Er schlang die Arme um sich, wiegte sich und stöhnte, vermochte aber schon bald die Schreie nicht mehr zu unterdrücken, denn der Schmerz übermannte ihn. Er konnte nicht mehr denken, und als Letztes verspürte er eine überwältigende Einsamkeit.
    Kamose träumte. Er hatte den Traum schon so viele Male geträumt, dass er selbst im Schlaf Wohlsein und Vorfreude wahrnahm. Anfangs spielte er sich irgendwo auf dem Anwesen ab – in seinen Gemächern, im Garten, am Fluss, ja, sogar im Empfangssaal, doch wo immer er auch war, jedes Mal empfand er freudige Erwartung. In dieser Nacht träumte ihm, er säße im Garten. Es dämmerte. Re war gerade in Nuts Schlund verschwunden, und im Teich spiegelte sich ein ruhiger, dunkelroter Himmel. Der Abend ließ Rasen, Blumenbeete, Büsche und Baumgruppen verschwimmen, und im Haus leuchteten bereits ein paar Lampen. Unsinnig, wie Träume nun einmal waren, stellte Kamose fest, dass er trotzdem gut sehen konnte. Er saß auf einer Matte am Teichrand und ließ eine Hand durch das warme Wasser gleiten. Lotosblätter, deren Blüten einen berauschenden Duft verströmten, stießen an seine Finger.
    Ein Weilchen war er es im Traum zufrieden, den Abend

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