Der fremde Pharao
sich in Kamoses Arme. »Du lässt nicht zu, dass man mich mitnimmt, ja, Kamose?«, flehte sie außer sich. »Du kannst doch etwas machen, ja? Ja?« Kamose riss sich grob los. Aahotep wechselte einen Blick mit ihm und drückte das junge Mädchen an ihre Brust.
»Tani, so versteh doch, ich kann nichts tun«, sagte Kamose. »Er ist der König. Sein Wort ist Gesetz. Mutter, schaffe sie um Amuns willen fort! Aahmes-nofretari, du gehst auch.« Die junge Frau zögerte, bleich bis an die Lippen. Ahmose ging rasch zu ihr und gab ihr einen Kuss.
»Tu, was er sagt«, drängte er. »Ich komme später zu dir. Dazu gibt es viel zu sagen, Aahmes-nofretari, aber nicht jetzt. Nur nicht verzweifeln!« Mit einem benommenen Nicken wandte sie sich linkisch ab und folgte ihrer Mutter und ihrer Schwester.
»Apophis hofft, dass wir uns umbringen«, meinte Tetischeri kühl mit Blick auf das Grüppchen, das sich jetzt mit gesenktem Kopf zusammen mit seiner Wache entfernte. »Er hat uns vier Monate geschenkt, damit wir das Urteil richtig begreifen und die ganze Erniedrigung spüren. Tod von eigener Hand würde ihm viel Ärger ersparen.« Sie sah Kamose fest an. »Was willst du nun tun?«, fragte sie. »Es ist undenkbar, dass Teti in meinem Haus wohnt und deine Nomarchen regiert, Kamose. Da muss etwas geschehen.« Kamose fuhr herum und herrschte sie an.
»Und was soll ich deiner Meinung nach tun?«, brach es aus ihm heraus. »Etwa Feuer vom Himmel herabflehen, das den König vernichtet? Wach auf, Großmutter! Ich bin kein Magier, der eine wundersame Rettung aus dem Ärmel zaubert! Da gibt es nichts zu tun. Gar nichts!« Ungerührt musterte sie seine heftig atmende Brust und die zornigen Augen.
»Trotzdem wirst du es versuchen«, entgegnete sie. »Ich kenne dich, Kamose Tao. Ich sehe dir ins Herz wie kein anderer.« Sie winkte Uni, der außer Hörweite wartete, mit einem heftigen Kopfnicken herbei und entschwebte wie eine Königin.
»Tani soll mehr als nur Apophis’ Gast sein«, überlegte Kamose, ohne sich bewusst zu sein, dass er laut gedacht hatte. »Sie ist seine Geisel, damit wir uns gut benehmen. Natürlich. Darum nimmt er sie bei seinem Aufbruch nach Norden mit, statt sie später holen zu lassen.«
»Der gleiche Gedanke ist mir auch schon gekommen«, bestätigte Ahmose. Kamose drehte sich erschrocken zu ihm um. Er hatte nicht gemerkt, dass er seine Gedanken laut geäußert hatte. »Ganz schön gerissen von ihm!«, fuhr Ahmose fort. »Mit einem einzigen Zug hat er uns die Hände fester gebunden als mit irgendeiner anderen Maßnahme. Jetzt können wir nicht einmal mehr weglaufen.«
»Weglaufen?« Kamose runzelte die Stirn. »Wohin denn, Ahmose?«
»Irgendwohin«, gab Ahmose zurück, »Hauptsache, wir bleiben zusammen.« Kamose setzte sich nachdenklich in Bewegung. »Wohin willst du?«, rief Ahmose hinter ihm her. Kamose hob die Schultern, als ob er mit dieser Bewegung die Last der Verzweiflung abschütteln könnte, die ihn niederdrückte.
»Ich muss nachdenken«, sagte er. »Geh zu den Frauen und beruhige sie, Ahmose. Darin bist du gut. Wir sehen uns später.«
Die Mittagssonne prallte auf ihn herab, als er den Saal verließ und in den Garten ging. Die Luft war in Bewegung, und das Gras fühlte sich unter seinen nackten Füßen weich an. Büsche und Blumenbeete lebten, Vögel tschilpten und Insekten raschelten. Vom Fluss drang das Gerufe und Geplansche der hin-und herangierenden Steuerleute. Die Alltagswirklichkeit erschlug Kamose geradezu. Rasch und mit zusammengekniffenen Augen strebte er der hinteren Mauer und der Pforte zu, die auf den Exerzierplatz, die Kasernen und den Streifen unbebauten Landes am Fuß der Felsen führte. Er hatte die Hand bereits auf der Pforte, als seine Wache ihn aufhielt. »Fürst, du darfst die Kasernen nicht aufsuchen.« Kamose sah zu den Soldaten hinüber, die müßig im aufgewühlten Sand des Platzes herumhockten. Seine Augen suchten nach Hor-Aha, doch dann fiel ihm ein, dass der General irgendwo tief in der Wildnis von Wawat weilte.
»Ich möchte die Kasernen gar nicht aufsuchen«, versicherte er dem Mann. »Ich will nur ein wenig bei den Felsen spazieren gehen.« Er stieß die Pforte auf, doch der Mann vertrat ihm entschieden, wenn auch mit abbittender Miene den Weg.
»Tut mir Leid.«
»Na schön.« Kamose drehte um und strebte zur Bresche in der Südmauer, die auf den Bereich des alten Palastes ging, und sein Aufpasser folgte wachsam.
Der Palast war leer, ruhig und kühl. Kamose holte tief
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