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Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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dessen goldenes Abbild lächelnd und bekrönt von seinen schönen Federn im Tempel thronte. Amunmose würde heute in voller Amtstracht im Saal zugegen sein und stumm für die beten, denen der Gott Treue schuldete. Die Fürsten von Waset haben dir generationenlang treu gedient, sagte er im Geist zu seinem Gott. Der Augenblick ist gekommen, das zu erwidern. Mache unsere Sache zu deiner und vernichte die Setius …
    Seine Gedanken schweiften ab, seinen Worten fehlte es an Überzeugung. Das alles hatte er Amun schon tausendmal gesagt, und nun war ihm nicht mehr nach Beten. Er saß auf der ungemachten Pritsche, denn die überarbeiteten Diener hatten noch keine Zeit gehabt, die Laken zu wechseln, verschränkte die Arme und schickte sich grimmig ins Warten.
    Die Stunde war noch nicht ganz verronnen, da verließ Kamose die Zelle und begab sich in den Garten, wo die übrige Familie schon versammelt war, eine angespannte, bedrückte, kleine Gruppe. Sie bedachte die herumschlendernden Höflinge mit hochfahrenden Blicken, denn die warteten nur darauf, dass sie der Herold in den Saal ließ. Schnell gab Kamose den Frauen einen Kuss. Seine Mutter und Schwestern trugen knöchellange, ungefältelte Hemdkleider und hatten weder Geschmeide noch Perücken angelegt. Aahoteps gesunde, glänzende Zöpfe fielen ihr auf die Schultern, auf der grauen Strähne an ihrer Schläfe funkelte die Sonne. Keine war geschminkt, abgesehen von Tetischeri, die mit Perücke, silbernem Kettchen, Ohrringen und Armbändern prächtig anzusehen war. Ihre Sandalen waren aus weichem weißem Leder, auf ihren Lidern lag blauer Lidschatten, und ihre Augen waren mit Kohl umrandet. Tani hatte geweint. Ihre Augen waren rot verquollen. »Wo ist Ahmose?«, erkundigte sich Kamose besorgt und tat so, als merkte er nicht, dass sein Erscheinen eine gedämpfte Unterhaltung ausgelöst hatte.
    »Das wissen wir nicht«, antwortete Tetischeri. Kamose musterte sie, und auf einmal spürte er, dass seine Angst wich und er sich so unbeschwert fühlte wie schon seit langem nicht mehr. Seine Großmutter musterte ihn mit ihrer gewohnten frostigen Hochnäsigkeit. Die Blicke der anderen hingen erwartungsvoll an ihm. Sie verließen sich darauf, dass er sie mit irgendeinem Zaubertrick rettete, doch Tetischeri verließ sich auf nichts als ihr Blut und ihre Stellung in der Welt, auch wenn beides nicht anerkannt war. Sie war die Gemahlin eines Königs, die Mutter eines Königs, das reichte ihr. »Zweifellos erscheint er erst im letzten Augenblick«, fuhr Tetischeri fort. »Uni, hol mir Schatbrot. Die Warterei hat mich hungrig gemacht.«
    Auf einmal kam Ahmose schnellen Schrittes vom Haus her, seine Beine waren nass, und seine Locken glänzten feucht. »Ich habe es für geraten gehalten, heute Morgen mit Fürst Sobek-nacht und seinen Freunden auf Entenjagd zu gehen«, sagte er zur Erklärung. »Die Binsensümpfe wimmeln von Enten. Sobek-nacht kann hervorragend mit dem Wurfstock umgehen, und wir haben viel Spaß gehabt. Nur bin ich sehr dreckig nach Haus gekommen.« Aahotep wollte schon zu einer zornigen Antwort ansetzen, wurde aber durch das Geräusch von Yku-didis Amtsstab unterbrochen, der auf die Stufe vor dem Saal aufgestoßen wurde.
    »Möge eintreten, wer möchte!«, rief er. Alles drängte sich an ihm vorbei. Ahmose lächelte allen ermutigend zu. Kamose drückte Tanis Hand. Sie folgten der Menge in den Dämmer des Saals.
    Die Höflinge standen zu beiden Seiten aufgereiht, sodass Kamose, als er zwischen den Pfeilern hindurchging, bis zum Horusthron sehen konnte. Er war leer. Ein Wachposten vertrat ihm den Weg, und ein anderer bezog Stellung hinter der Familie. Ganz kurz war die Atmosphäre im Saal aufgeheizt von Erregung und Spannung, dann erschien Yku-didi aufs Neue, dieses Mal neben den Türen am hinteren Saalende, die aufgerissen wurden, und begann die Titel des Königs auszurufen.
    Das königliche Gefolge strömte herein. Die Gemahlinnen setzten sich auf die Stufen der Estrade, gefolgt von Apophis, der sie hochstieg und sich zum Thron wandte. Mit angehaltenem Atem sah Kamose, dass er die Doppelkrone trug, deren glattes weißes Rund, das Symbol Oberägyptens, sich in das rote, das Symbol Unterägyptens, schmiegte. Über seiner Stirn war die Uräusschlange befestigt. Heute hatten Kobra und Geier etwas Raubtierhaftes, ihre Ebenholzaugen blickten hungrig. Kamose unterdrückte einen Schauder. Apophis hatte sich den königlichen Bart aus gefalteten Lederriemen ans Kinn gebunden. Unbewegt

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