Der fremde Pharao
Vergeltung Ausschau, die die Götter ihrem Vater gewisslich zugedacht hatten, weil er das Gleichgewicht der Maat störte, doch sie bemühte sich, ihre Angst zu verbergen. Da war ja auch noch Ramose, dessen Besuch man in Kürze erwartete, und seine Briefe, die sie an den langen, heißen Nachmittagen immer wieder las und die sie trösteten. Dennoch konnte sie ihren Vater nicht täuschen, sosehr sie sich auch um Heiterkeit bemühte. Sie war vor kurzem vierzehn geworden und man hatte ihre Kinderlocken abgeschnitten und verbrannt. Seqenenre wünschte sich sehnlichst, dass sie sich nicht nur mit Ramose verlobte, sondern ihn auch heiratete und damit der Gefahr, die ihr in Waset drohte, entzogen wäre.
Er suchte nach einem Weg, wie er das erreichen konnte, als er zum Ende des Flurs kam, der zu den Frauengemächern führte, und dort auf Kamose stieß. Sie umarmten sich. Kamose war noch staubig und verdreckt von der Reise. Seqenenre ließ einen Diener rasch Bier holen, und dann ging er mit seinem Sohn in den Garten, wo sie sich in den mageren Schatten am Teich setzten. Kamose riss sich das zerknautschte Leinenkopftuch ab und wischte sich damit Gesicht und Hals. Nach einer kurzen, belanglosen Unterhaltung sagte er: »Ahmose meint, dass die neuen Unterkünfte für die Soldaten sehr beengt und die Rationen knapp sind. Auch gibt es nicht genug Esel, die Wasser in die Wüste tragen. Abgesehen davon wird der Fluss in nicht einmal einem Monat ansteigen, und in zwei Monaten kann man nicht mehr marschieren.« Er fing an, seine Beine von Dreck und Sand zu säubern. »Noch ist es nicht zu spät, sich zu besinnen, Fürst.« Seqenenre sah zu, wie sich sein Sohn mit flinken Fingern den Dreck von den Waden klopfte.
»Hor-Aha sagt das Gleiche«, erwiderte er. »Aber ich kann nicht noch ein Jahr warten, Kamose. Das weißt du. Ich will vor der Überschwemmung hermarschieren. Wie viele Männer hast du mitgebracht?« Kamose lehnte sich auf einen Ellenbogen gestützt zurück.
»Eintausenddreihundert. Es wären mehr gewesen, wenn wir für die Bauten des Königs nicht so viele nach Norden hätten schicken müssen. Natürlich hat niemand Fragen gestellt. Wie viele Medjai konnte Hor-Aha überreden?« Nur dreizehnhundert. Seqenenre beherrschte einen Anfall von Panik, der ihm die Brust zusammenschnürte.
»Zweitausend, aber jeder davon ist zwei von Apophis’ Männern wert, und natürlich haben wir noch unsere eigenen fünfhundert Soldaten. Ich hoffe, dass wir auf dem Marsch in Städten und Nomarchen weitere Unterstützung bekommen.«
»Nicht einmal eine Division«, sagte Kamose trocken. »Dafür würden wir weitere siebzehnhundert Mann brauchen. Apophis soll allein in Auaris einhunderttausend Setius unter seinem Befehl haben.« Seqenenre hörte den Tadel in der Stimme seines Sohnes, reagierte aber nicht darauf.
»Wir nennen unsere Soldaten trotz ihrer Zahl eine Division«, entschied er. »Die Amun-Division. Die ursprünglichen fünfzig Medjai, unsere Leibwache, sind die Tapferen des Königs, und Hor-Aha bildet fünfhundert weitere Medjai als Angriffstruppe aus. Es ist ein Heer im Kleinformat, Kamose, aber immer noch ein Heer.«
»Wirst du im Feld den Befehl führen?«
»Natürlich. Aber ich möchte nicht, dass Ahmose mitkämpft.« Kamose setzte sich auf, sagte aber nichts. Sein eindringlicher Blick hing an seinem Vater. Seqenenre fuhr fort: »Unser Geschlecht darf nicht aussterben, Kamose. Falls ich in der Schlacht falle, muss es noch einen Erben geben, der hier Nomarch ist. Falls er es klug angeht, kann er Apophis überzeugen, dass ich allein diesem Wahnsinn verfallen war und er versucht hat, mich davon abzubringen.«
»Ich sehe ein, dass Ahmose nicht mitkämpfen darf«, stimmte Kamose zu. »Wir sollten uns, wenn möglich, die Zukunft offen halten. Falls wir sterben, ist noch immer Ahmose da.«
»Ich weiß, dass du in Wirklichkeit gar nicht kämpfen möchtest«, sagte Seqenenre sanft. »Falls du die Wahl hättest, würdest du nach besten Kräften versuchen, alles so zu belassen, wie es ist, und unser Geschlecht für eine Zeit in der Zukunft bewahren, wenn die Setius aus Ägypten verschwunden sind. Aber ich sage dir, die Zeit ist reif, sie ist gekommen. Außerdem wird Apophis schon dafür sorgen, dass unsere Familie vom Erdboden verschwindet, Krieg oder kein Krieg.« Kamose seufzte.
»Du hast Recht. Ich möchte nur so gern glauben, dass es nicht so ist. Ich hasse ihn!« Seine schwarzen, dick mit Kohl umrandeten, rot geränderten Augen
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