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Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Blick und dem langen Schweigen, den kenne ich nicht.« Sie lehnte sich zurück und legte beide Hände auf die Knie. »Hinter seinem Benehmen stecken irgendwelche Schuldgefühle.«
    »Mutter, er ist fast noch ein Knabe«, entgegnete Seqenenre. »Und natürlich dürfen uns gewisse Schuldgefühle nicht überraschen. Welche widersprüchlichen Treuegefühle wohl die ehrerbietigen Mienen unserer Dienstboten verbergen, ganz zu schweigen von den Familienmitgliedern? Die Situation ist für jeden schrecklich, und das spürt Si-Amun schmerzlich.«
    Sie schlug sich auf die Knie. »Schuldgefühle! Er sollte ärgerlich sein, seine Einstellung wütend verteidigen, streiten, wann immer Pläne beredet werden. Seqenenre, ich kenne meinen Enkel. Dieses dumpfe Brüten ist wider seine Natur. Das ist nicht der Si-Amun, den ich kenne.« Ihre Stimme wurde leiser. »Lass ihn beobachten, Fürst.«
    Seqenenre war entgeistert. »Wie kannst du nur glauben, dass mein eigener Sohn, mein Erbe, mich verraten würde? Tetischeri, bisweilen kommt mir der Gedanke, dass du eine Seth-Jüngerin bist. Ich werde doch mein eigen Fleisch und Blut nicht bespitzeln.«
    Tetischeri ließ sich jedoch nicht irremachen. »Etwas nagt an ihm«, beharrte sie. »Ich liebe ihn und du auch, aber ich traue ihm nicht.«
    Seqenenre schob sein Tischchen beiseite und stand auf.
    »Von familiärer Meinungsverschiedenheit bis zu Verrat ist ein langer Weg«, sagte er. »Mutter, du denkst mir zu verzwickt, zu undurchschaubar. Deine Gedanken sind nicht ehrenhaft.«
    »Und du bist beängstigend arglos!«, rief sie ihm nach, als er ging. »Liebe ihn, Seqenenre, aber traue ihm nicht!«
    Als Isis ihr dann das Nachtgewand über den Kopf gezogen und die Laken auf ihrem Lager zurückgeschlagen hatte, ließ Tetischeri Mersu holen. Als Isis zurückkam, verbeugte sich hinter ihr der Haushofmeister, und Tetischeri sprach mit beiden.
    »Ich bin eine misstrauische alte Frau«, sagte sie, »aber ich schlafe besser, wenn ihr mir einen kleinen Gefallen tut. Ihr wisst, dass Prinz Si-Amun gegen den bevorstehenden Krieg eingestellt ist. Ich weiß nicht, ob er so sehr dagegen ist, dass er uns alle verraten würde. Darum möchte ich, dass ihr sein Tun und Treiben überwacht, wohin er geht, wen er trifft und besonders, an wen seine Briefe gerichtet sind. Ach, schau nicht so entsetzt, Isis«, sagte sie gereizt, als die Dienerin sie mit offenem Mund anblickte. »Ich liebe diesen jungen Dummkopf, und das weißt du genau. Mersu, dich scheint dieser Auftrag ungerührt zu lassen.« Mersu verbeugte sich leicht.
    »Ich bin nicht ungerührt, Fürstin, und ich werde deine Bitte gewisslich erfüllen, nur scheint sie mir ein wenig übertrieben zu sein.« Tetischeri tat das mit einer knappen Handbewegung ab.
    »Was ihr davon haltet, ist nicht wichtig. Tut einfach, was ich sage.«
    Doch als sie gegangen waren und sie allein war und unter ihren Laken lag, die Augen auf die Schatten unter der Decke gerichtet, da war sie fast geneigt, ihnen Recht zu geben. Si-Amun ist schon immer von Macht, Einfluss und allem Modischen angezogen worden, dachte sie. Das hat ihn nicht geschwächt, nur unstet und gelegentlich neidisch gemacht. Sein Herz ist gut. Vielleicht bin ich tatsächlich eine böse alte Frau. Sie drehte sich auf die Seite und schloss die Augen, doch der Schlaf floh ihr Lager. Sie schämte sich, weil sie ihren Enkel bespitzeln ließ, verspürte jedoch ein Unbehagen, und das Unbehagen hatte keine Wurzeln. Ergeben machte sie sich auf eine lange Nacht gefasst.
    Seqenenre schob die Warnung seiner Mutter beiseite und dachte nicht mehr daran. Er war fieberhaft damit beschäftigt, seinen Aufstand langsam zusammenzubringen, und als der allmählich Wirklichkeit wurde, brachte er nur bedrückte Gedanken und eine ständige Besorgnis mit sich, die sich selten verflüchtigte. Ein Ereignis jedoch munterte ihn auf. Eines Nachmittags lag er auf seinem Lager, während ihm sein Leibdiener Öl in die schmerzenden Muskeln rieb, als Uni meldete, der Bürgermeister von Waset wünsche, vorgelassen zu werden.
    »Ich habe ihn und seine Gemeinderäte in den Empfangssaal geführt«, sagte Uni. Seqenenre bedeutete dem Mann, der noch immer seine verspannten Muskeln knetete, die Schale mit dem Öl zu nehmen und zu gehen.
    »Was wollen sie?«, fragte er gereizt.
    »Das haben sie nicht gesagt«, erwiderte Uni, »ich habe ihnen Wein gereicht und sie dann allein gelassen.«
    »Sehr gut. Schick Ipi mit seiner Palette in den Empfangssaal.« Uni nickte

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