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Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Gemächer gehen, damit du das Lager für dich allein hast?«
    »Nein«, flüsterte er. »Ich will noch ein wenig spazieren gehen und beten. Ich liebe dich, Aahotep.« Sie wurde völlig wach, denn sie hörte, wie verloren seine Stimme klang, fasste nach ihm, zog ihn an sich und küsste ihn auf den Mund.
    »Wenn ich neben dir kämpfen könnte, ich würde es tun«, sagte sie. »Komm wohlbehalten zurück, mein Gebieter.« Sanft drückte er sie auf die Kissen.
    »Schlaf weiter«, erwiderte er.
    Der Flur war dunkel. Zwei der Fackeln waren verloschen, und nur eine flackerte neben Unis Tür, die offen stand, falls sein Herr ihn des Nachts rufen sollte. Seqenenre hörte ihn brummeln, als er vorbeiging. Kein Soldat stand Wache, wo sich der Flur teilte. Alle Männer schliefen jenseits des Flusses. Seqenenre zögerte, blickte jede unbeaufsichtigte, verschlafene Abzweigung entlang, dann strebte er zum Garten und der Lücke in der bröckelnden Mauer, durch die er klettern und zum alten Palast gelangen konnte. Er stahl sich an Mersus Tür vorbei. Der Haushofmeister seiner Mutter hatte seine Unterkunft dicht bei den Frauengemächern, sodass Isis ihn wecken konnte, falls Tetischeri ihn brauchte. Die Tür stand offen. Als Seqenenre hineinblickte, sah er auf dem Lager eine buckelartige Erhebung. Schwer vorstellbar, dass der würdevolle und schweigsame Mersu im Schlaf alle viere von sich streckte. Seqenenre lächelte und ging weiter.
    Die Nachtluft stand heiß und still. Als er durch den Garten tappte, um das schwarze Geviert des Teiches herumging und sich unter den vertrockneten Bäumen duckte, warf er einen Blick zum Himmel. Der Mond ging bereits unter, eine ganz helle Silbersichel inmitten von Sternengefunkel, deren Strahlkraft ihm einen Augenblick den Atem verschlug. Er blieb stehen und betete flüsternd zu Thot, dem Gott des Mondes und seiner Seele, ehe er vorsichtig über den fast unsichtbaren Schutt ging, der von der Palastmauer gefallen war, und sich durch das Loch zwängte.
    Über ihm dräute der Palast als Gewirr von scharfen Winkeln vor einem samtigen Himmel. Er hatte keine Angst. Viele Menschen fürchteten sich vor der Nacht wegen der Toten, aber Seqenenre fühlte sich hier gut aufgehoben von vergangenen Jahrhunderten, einer Zeit, in der Menschen von seinem Fleisch und Blut gelebt hatten. Er hatte ein Recht darauf, über den aufgewühlten Hof zu gehen und in den dämmrigen, großen Empfangssaal einzutauchen. Er durchquerte ihn rasch, bewegte sich eher unbewusst als nach dem ersten grauen Licht, das aus den Oberlichtfenstern fiel. Im Audienzsaal blickte er nicht zu der Estrade für den Thron hin. Ich werde diesen Palast erneuern, dachte er im Weitergehen. Ich werde den heiligen Thron aus Auaris mitnehmen und ihn hier aufstellen.
    Am Fuß der Treppe, die zum Dach der Frauengemächer führte, blieb er jäh stehen und lauschte. Ihm wollte scheinen, als hörte er hinter sich ein Geräusch. »Ist da jemand?«, sagte er gelassen, doch nichts rührte sich in der Dunkelheit. »Osiris Mentuhotep-neb-hapet-Re, sollte es das Geflatter deiner Flügel sein, die ich höre, so bitte ich dich, segne und behüte mich«, rief er jetzt, doch falls der Vogel mit Mentuhoteps Kopf sein Grabmal verlassen hatte und im baufälligen Heim der altehrwürdigen Könige herumgeisterte, so zeigte er sich nicht. Dennoch war Seqenenre getröstet. Rasch stieg er die Treppe hoch und trat aufs Dach.
    Als er sich auf die noch immer warmen Ziegel sinken ließ, spürte er, wie seine Anspannung nachließ. Er hatte sich vorgestellt, hier könnte er seine Gedanken ordnen, doch es gab nichts mehr, woran er denken musste. Er träumte nur vor sich hin, und das beruhigte ihn und munterte ihn auf. Sein Haus lag im Dunkeln, abgesehen von einem matten Licht in den Frauengemächern, das Aahmes-nofretari gehören musste, die keine Ruhe fand. Ein Nachtvogel rief kurz und rau. Unten am Fluss konnte er die angebundenen Pferde wiehern und stampfen hören, und das Wasser selbst strömte nach Norden, die Richtung, die er selbst bald einschlagen würde; bleich beschien der Mondschein die Fluten. Wie üblich wandte er sich kurz der Wüste zu, doch deren Horizont verschwamm. Ich habe heute mit Tani geredet, aber nicht mit Aahmes-nofretari, dachte er. Ich wollte zu ihr gehen, zu meiner stillen Tochter, aber ich hatte Angst, dass mein Lebewohl sie noch mehr aufregen würde. Lieber eine kurze Umarmung im morgigen Durcheinander. Sein Blick wurde zum schwachen Schein ihrer Lampe

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