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Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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zurückgekämmte Haar gebunden und die Augen mit Kohl umrandet. »Uni, hast du Vater gesehen?«, fragte sie. »Er hat versprochen, bei mir vorbeizukommen, ehe wir alle zur Verabschiedung zum Fluss gehen. Hat ihn etwas aufgehalten?« Uni verbeugte sich.
    »Ich weiß es nicht, Prinzessin«, antwortete er, »aber ich finde ihn schon noch. Und du solltest nicht in der Sonne herumstehen. Lass dir von Raa eine Matte und einen Sonnenschirm holen.« Aahmes-nofretari sprach mit ihrer Begleiterin, und als sie das tat, bemerkte Uni die Bresche in der Mauer und den Palast dahinter, dessen Wände im Schein der Morgensonne hellgelb schimmerten. Er lächelte grämlich und ging in die Richtung. Natürlich. Wo sonst geht der Fürst schon hin, wenn er ein Weilchen seine Ruhe haben will, ehe ihn die Alltagspflichten wieder auffressen, dachte Uni gereizt, als er den leeren Hof überquerte, auf dem die Sonne jetzt so gleißte, dass er blinzeln musste. Mittlerweile hätte er seine Pflichten im Tempel vollziehen, seiner Familie Lebewohl sagen und aufbrechen müssen. Es sieht ihm gar nicht ähnlich, seine Soldaten in der prallen Sonne auf ihn warten zu lassen.
    Uni mochte den alten Palast nicht. Als er in das kühle Dämmerlicht trat, hätte er gern einen Talisman zwischen den Schulterblättern hängen gehabt. Er fasste nach seinem Amulett, durchquerte den Empfangssaal wie vor ihm Seqenenre und ging zu der Treppe, die sein Herr gern nahm. Ein jähes Flügelflattern und ein schrilles Pfeifen ließen ihn an die Wand zurückweichen, und er verzog angeekelt das Gesicht. Fledermäuse. Er würde ein Wörtchen mit dem Bauern reden müssen, dessen Aufgabe es war, die Tiere jeden Morgen ins Freie zu treiben für den Fall, dass der Fürst diese Treppe hochstieg.
    Uni ging weiter hoch und kam schließlich zu der angeschlagenen und zerbrochenen Türöffnung. Hitze schlug ihm entgegen, als er blinzelnd hindurchtrat, und er blieb kurz stehen, weil sich seine Augen erst an das Licht gewöhnen mussten. »Fürst, wo bist du?«, rief er taktvoll. Keine Antwort, doch die brauchte er auch nicht. Uni erblickte seinen Gebieter fast sofort.
    Seqenenre lag bäuchlings in Dreck und hereingewehtem Sand, die Wange auf einem Ziegelstein, die Arme unter sich und nicht sichtbar. Seine gespreizten Beine lagen in der Sonne, und eine launische Brise hob den Saum seines Schurzes. Uni blieb fast das Herz stehen, dann machte es einen Satz. Rasch lief er zu Seqenenre und berührte ihn zögernd, und da sah er den zerschmetterten Schädel und das braune, getrocknete Blut, das auf dem grauen Gesicht klebte. »O ihr Götter, ihr Götter«, flüsterte er.
    Dann richtete er sich auf und sah sich verzweifelt nach Hilfe um. Unter den Bäumen am Fluss wimmelten Soldaten aus den Kasernen im Osten, die darauf warteten, zum Westufer übergesetzt zu werden, ein Gewirr brauner Gliedmaßen, weißer Schurze und sonnenfunkelnder Speere. Weit würde sein Rufen nicht dringen. Dann erhaschte er eine Bewegung, jemand ging an der Bresche in der Mauer vorbei, die den Garten umgab. »Hier!«, schrie er, doch seine Stimme war nur ein Krächzen. Er holte tief Luft. »Hier! Hier oben!« Und er rief und rief. Kurz darauf erschien eine Gestalt, beugte sich in die Lücke und blickte hoch, beschattete die Augen mit der Hand. Einer der Gärtner. »Lauf, so schnell du kannst, und hol Diener und eine Trage!«, befahl Uni. »Wenn sie unterwegs sind, hol die Prinzen Si-Amun und Kamose. Die habe ich zum Fluss gehen sehen. Schick auch sofort den Arzt ins Schlafgemach des Fürsten. Sofort!« Der Mann blickte bestürzt, doch Uni klang so außer sich, dass er verschwand.
    Uni kauerte sich neben den Leblosen. Mehr konnte er nicht tun, bis die Trage kam. Zögernd fuhr er mit dem Finger über Seqenenres Schulter. Die Haut fühlte sich hart, trocken und kalt an. Ist er tot?, dachte Uni, und auf einmal wurde ihm so übel, dass er nach Luft schnappen musste. Er konnte nur einen Teil vom Gesicht des Fürsten sehen, doch das eine Auge unter dem halb geschlossenen Lid sah glasig aus. Die Sonne vertrieb rasch den Schatten, in dem der Fürst noch lag. Uni zog seinen Schurz aus und legte ihn über das der Sonne ausgesetzte Fleisch. Als er das tat, ging ihm erst auf, dass man sich den Schädel nicht so aufschlagen konnte, wenn man stolperte und fiel, genauso wenig, wie man eine Treppe hochfiel. Jemand hatte sich hinter den Fürsten geschlichen und ihm das angetan.
    »Uni!«, rief jemand. Er blickte hinunter. Aahmes-nofretari

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