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Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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beugte sich durch die Mauerlücke. »Was ist da oben los? Was tust du da?« Ihm war klar, dass er sie ins Haus schicken musste, dass sie das, was hinter ihm lag, nicht sehen durfte, aber irgendetwas an seiner Haltung ließ sie aufmerken. Ehe er sie abhalten konnte, zwängte sie den hochschwangeren Leib durch und betrat den Hof.
    »Prinzessin, nicht!«, rief er. »Ich rede gleich mit dir! Bitte, geh wieder ins Haus!« Doch sie achtete nicht auf ihn. Hinter ihr sah Uni die Träger mit der Trage herangeeilt kommen. Er ging ihnen entgegen.
    Doch er konnte nicht am Fuß der Treppe bei der blassen und ängstlichen Aahmes-nofretari bleiben, sondern musste auf das Dach zurück und dafür sorgen, dass der Fürst so sanft wie möglich auf die Trage gebettet wurde, und dabei war den Männern anzusehen, dass sie diese Behutsamkeit für sinnlos hielten. Seqenenre war tot. Und damit hatten sie wahrscheinlich Recht. Er geleitete sie die Treppe hinunter und wusste nur zu gut, dass an ihrem Fuß die Prinzessin mit nach oben gewandtem Gesicht stand, doch er war machtlos, konnte sie nicht vom Nähertreten abhalten, als die Trage das Erdgeschoss erreichte. Sie wirkte ungläubig, als sie sich über ihren Vater beugte, doch dann ging ihr die Bedeutung dessen, was sie sah, auf. Sie stieß einen einzigen Schrei aus, presste die Faust in die Wange und schwankte, und Uni packte sie bei den Schultern und drückte sie sanft auf eine Stufe. »Bleib hier, Prinzessin«, sagte er. »Ich schicke dir Raa.« Sie schlang die Arme über ihren gewölbten Leib und blickte mit schreckgeweiteten Augen zu ihm hoch.
    »Ist er … ist er tot?«, sagte sie mühsam.
    »Ich weiß es nicht. Bleib hier.« Er verbeugte sich, ohne seine Verbeugung überhaupt wahrzunehmen, es geschah unbewusst, die Macht der Gewohnheit, dann lief er hinter den Trägern her.
    Aus Angst, Seqenenre durchzurütteln, trugen sie ihn durch die große, torlose Einfahrt am Ende des Hofes, deren Torflügel einst aus Kupfer gewesen waren und Könige und Edelleute in ihrer ganzen Pracht hatten durchziehen sehen. Uni beobachtete die leblose Gestalt besorgt, sah aber nicht das kleinste Anzeichen von Leben. Die Augen standen halb offen, waren jedoch blicklos. Getrocknetes Blut war aus dem erschlafften Kiefer gesickert, das Kinn hinuntergelaufen und in der Halsgrube getrocknet. Der Schädel war nur noch zusammengeschobene Haut. Uni stand mittlerweile unter der Wirkung des Schocks, den er erlitten hatte. Seine Beine zitterten und alles verschwamm ihm vor den Augen. Er war sehr froh, als er Kamose und Tetischeri den Flur entlang zum Schlafgemach eilen sah, gerade als die Trage um die Ecke bog. Drinnen wartete schon der Arzt. Während die Diener Seqenenre auf das Lager hoben, packte Kamose den Haushofmeister beim Arm. »Heraus mit der Sprache!«, knurrte er.
    »Niemand konnte den Fürsten finden«, erläuterte Uni und fing dabei an zu zittern, »aber ich habe mir gedacht, er ist vielleicht zu seinem Lieblingsplatz gegangen, daher habe ich dort nach ihm gesucht. Er hat auf dem Dach der Frauengemächer gelegen«, er zeigte ins Zimmer, »so wie da.«
    Kamose deutete auf den Schemel an der Tür. »Setz dich«, befahl er. »Du siehst krank aus. Wenn du dich erholt hast, schick einen Diener zu Si-Amun und Hor-Aha. Si-Amun ist auf dem Westufer und spannt die Pferde vor die Streitwagen. Er muss auf der Stelle herkommen. Hor-Aha soll die Truppen über den Fluss zurücksetzen lassen. Heute dürfen sie sich ausruhen, und man soll ihnen reichlich Wein geben. Mersu kann deine Arbeit übernehmen. Du bist für heute entschuldigt, Uni. Du hast deine Sache gut gemacht.«
    Uni blickte Kamose neugierig ins harte, entschlossene Gesicht. Kamoses Lippen waren eine schmale Linie, die Nasenflügel verkniffen, die Augen vollkommen schwarz. Der Haushofmeister kannte den Prinzen seit seiner Geburt. Er war ein stilles Kleinkind, ein nachdenklicher Jüngling gewesen und ein zurückhaltender, beherrschter junger Mann geworden. Er konnte sich ungezwungen und locker über vieles unterhalten, und bei seinem bedächtigen Lächeln wurde so manchem das Herz warm. Uni argwöhnte, dass er ein stilles Wasser war, dass sich Kamoses wahres Leben tief unter dem gelassenen, höflichen Benehmen und der leutseligen Unterhaltung abspielte. Jetzt war ihm unbewusst klar, dass eine grimmige Wut Kamose gepackt hatte. Die Worte des jungen Prinzen klangen, als wäre er das Befehlen seit langem gewohnt. Uni tat, was man ihn geheißen hatte.
    Im

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