Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
Vom Netzwerk:
durchdringender Blick und ein hochfahrender Mund. Sie war schwanger, das wusste Ramose. Noch ein Prinz, dachte er. Noch ein Tao, der den König verachtet und ihren langen Traum von Macht und uralter Maat träumt. Bei Thot, ich bewundere sie! Aber das darf ich mir nicht anmerken lassen, denn auch ich stamme aus einer altehrwürdigen Familie und habe meinen Stolz, aber ich bin froh, dass ich hier sitze, wo die Luft irgendwie sauberer und das Ägypten, was mir zu schaffen macht, überschaubarer ist. Aber sie sind auch gefährlich. So unvorhersehbar wie Bullen, sogar meine Tani auf ihre Art. Es liegt ihnen im Blut. Osiris Mentuhotep-neb-hapet-Re … Ich habe in Geschichte gut aufgepasst.
    Eine Bewegung, ein Rascheln neben ihm störten ihn in seinen Tagträumen. Er drehte sich um. Prinz Si-Amun wollte sich neben ihm auf dem Fußboden niederlassen. Ramose schenkte ihm ein wachsames Lächeln. Si-Amun hielt ungemein vorsichtig einen Pokal, und auf Ramose, der seine erhitzten Wangen und seine glänzenden Augen bemerkte, wirkte er bereits mehr als nur angetrunken. »Prinz«, sagte Ramose und neigte den Kopf. Si-Amun erwiderte das Nicken.
    »Na, Ramose«, sagte er. »Früher haben wir uns in den Sümpfen von Chemmenu an Krokodile angeschlichen und Ibiseier gesucht. Weißt du noch, als Kamose und ich dich an ein Boot gebunden und dich durch den Fluss geschleift haben? Du wärst fast ertrunken. Und jetzt sollst du mein Schwager werden. Ich finde, das gehört sich auch so. Hast du noch irgendwelche Zweifel?« Er schwenkte seinen Wein, trank und streckte den Pokal nach mehr aus. Der Diener, der hinter ihm wartete, schenkte nach und trat zurück.
    »Wie sollte ich, Prinz«, erwiderte Ramose. »Ich liebe Tani, und sie gibt eine wunderbare Gemahlin ab. Eine ehrbare und passende Heirat.«
    »Selbst angesichts der Schwierigkeiten, in denen Vater gesteckt hat?« Si-Amuns Gesicht näherte sich Ramoses. »Du weißt doch, dass die Leute sagen, Apophis hätte Vater überfallen lassen. Wir stehen beim König nicht gerade in Gnade.« Ramose erstarrte. Trotz Si-Amuns trunken verwaschener Sprache und dem glasigen Blick spürte er unterschwellig eine sachliche Frage.
    »Du weißt doch, wie auf den Anwesen der Edlen und Mächtigen getratscht wird«, sagte er vorsichtig, »und unser Gott hat ein argwöhnisches Naturell. Ich glaube weder, dass Seqenenre Verrat geübt noch dass der König Rache genommen hat. Ich höre nicht auf Klatsch, Prinz.« Ein eigenartiger Ausdruck, halb Erleichterung, halb Enttäuschung, huschte über Si-Amuns Miene.
    »Dann weißt du nichts?«, fragte er dringlich.
    »Nur was an schläfrigen Nachmittagen von Mund zu Mund weitergegeben wird. Das ist alles so dumm, Si-Amun, aber vermutlich macht es der Familie Sorgen. Der Jagdunfall – eine furchtbare Sache.« Hoffentlich hörte sich das überzeugend an. Si-Amun konnte nicht wissen, dass Tani ihm reinen Wein eingeschenkt hatte und er ihr Vertrauen nicht verraten durfte.
    »Und dein Vater?«, bohrte Si-Amun weiter. »Teti gehört zu Apophis’ Günstlingen. Was weiß er?« Die Worte kamen leise und klangen beinahe verzagt. Ramose verbarg seine Bestürzung, denn er spürte bei dem Prinzen etwas, was schon fast an Verzweiflung grenzte.
    »Falls du damit andeuten möchtest, dass mein Vater etwas über einen Angriff auf deinen Vater gewusst hat, einen Angriff, den Seqenenre selbst als Jagdunfall hinstellt, dann überschreitest du die Grenzen unserer Blutsbande«, sagte er. »Falls es einen Angriff gegeben hat und falls mein Vater vorher davon gewusst hat, er hätte Seqenenre gewarnt.« Seine Entrüstung war echt. Si-Amun blickte ihn lange und starr an, dann kam ein Auflachen, ein rasches, humorloses Ausstoßen weingeschwängerter Luft.
    »Entschuldigung«, sagte er und erstickte fast an seinem Wein. »Natürlich hätte er das. Vergib mir.« Er wollte schwankend aufstehen. Ramose packte ihn beim Arm.
    »Si-Amun«, sagte er scharf, »bist du krank? Beunruhigt dich etwas?« Si-Amun blickte ein Weilchen auf ihn herunter.
    »Ramose, ich beneide dich«, sagte er abschließend. »Ich bin auch einmal so gewesen wie du. Ich würde Amun alles geben, was sein Herz begehrt, wenn ich wieder so sein könnte wie du. Tani hat Glück.« Er bedachte Ramose mit dem Zerrbild eines Lächelns und entfernte sich. Und während er das tat, fiel Ramose auf, dass Mersu hinter ihm hersah.
    In diesem Saal gibt es hässliche Unterströmungen, dachte Ramose und stellte seinen Wein hin. Vater kann doch unmöglich

Weitere Kostenlose Bücher