Der fremde Pharao
Verband um seinen Kopf wirkte in dem schlecht beleuchteten Saal wie ein weißer Fleck. Rasch schob er das Essen in seinen entstellten Mund, so als hoffte er, niemand würde zusehen, und seine Augen schweiften über die Gesellschaft. Ramose dachte an seinen eigenen Vater, wie er eingeölt und juwelengeschmückt mit ausladenden Gesten in seinem leisen, gepflegten Ton jeden seiner Gäste ansprach, die an seinen blumenbestreuten Tischchen aus Elfenbein speisten. Teti war wie eine große Eule, leutselig und klug. Seqenenre war ein verwundeter Falke, angeschlagen, aber auf der Hut und mit wachsamer Feindseligkeit in dem umherzuckenden Blick. Ramose musste innerlich über dieses anrührende Bild lächeln, und Seqenenre, der seinen Blick auffing, erwiderte das Lächeln plötzlich. Ramose nickte und blickte in eine andere Richtung.
Fürstin Aahotep saß dicht neben Seqenenre, eine dunkle Schönheit voll sinnlicher Anmut in jeder Bewegung. Sie hat wenig von meiner eigenen Mutter, dachte Ramose, und dabei sind sie verwandt. Meine Mutter hat nichts dagegen, eine Frau in mittleren Jahren zu sein. Die Frau hier mit den vollen Lippen und der kupferfarbenen Haut ist so sinnlich wie die Nebenfrauen des Königs, wenn sie sich an einem Sommernachmittag träge um die Springbrunnen des Harems scharen. Er sah, wie sie sich zurücklehnte und mit Hetepet, ihrer Dienerin, sprach; dann beugte sie sich zur Seite und legte den Mund auf das Ohr ihres Gemahls, und das alles geschmeidig und locker.
Ramose trank seinen Wein und ließ die Gedanken zusammen mit den Augen wandern. Die Zwillinge Kamose und Si-Amun saßen zusammen auf Matten und teilten sich einen Tisch, auf dem noch Reste des Mahls lagen, schwiegen sich aber aus. Die Spannung zwischen ihnen war fast mit Händen zu greifen. Zwar hatte es den Anschein, sie wären, wenn sie sich einander zuwandten, wie ein Mann, der in den Spiegel sieht: Schwarze Augen, lange, schmale Gesichter, scharfe Nasen, ein Schopf dunkler Locken, aber dennoch trennte sie ein Abgrund. Woran mag das liegen?, fragte sich Ramose.
Er spürte Si-Amuns Blick, der auf ihm ruhte, hatte ihn im Verlauf des Abends des Öfteren gespürt, während die Musiker gespielt und getanzt hatten und die Diener mit Lotosgirlanden und Duftöl zwischen den Speisenden hin und her gingen. Er hatte dabei ungute Gefühle. Kamose redete häufig mit dem wild aussehenden Medjai-Krieger gleich neben sich, einem Mann mit bedächtigen Bewegungen und flinken, kalten Augen, während Si-Amun immer tiefer in seine Matte zu sinken schien und seine beringten Finger mit den Speisen spielten.
Ahmose, sonnig und spärlich bekleidet, war lange vor allen anderen fertig mit Essen, wanderte mit der Schleuder in der Hand durch die Speisenden und fasste gelegentlich in einen Lederbeutel an seinem Gürtel, aus dem er kleine Kügelchen holte. Ihr Aufschlag unterbrach die Unterhaltung. Ahmose sang Liedfetzen irgendeiner flotten Melodie, wirbelte die Schleuder und ließ die Kügelchen fliegen. Niemand achtete auf ihn. Offensichtlich konnte er mit der Schleuder so gut umgehen, dass niemand Angst vor ihm hatte. Die große Fürstin Tetischeri saß ein wenig abgesondert, umgeben von ihrem Gefolge, eine aufrechte, glitzernde alte Frau, deren scharfer Blick alles erfasste und deren leiseste Bewegung einen Wirbel von Gehorsam rings um sie bewirkte. Ramose erschauerte innerlich. Als Junge hatte sie ihn immer in Angst und Schrecken versetzt, und auch jetzt als Mann flößte sie ihm noch immer eine ehrfürchtige Scheu ein. Mersu, ihr Haushofmeister, reagierte auf einen Befehl, dessen Worte in dem allgemeinen Geplauder untergingen, und beugte sich höflich zu ihr hinunter. Ramose schätzte ihn ab. Er hat einen Verwandten oder Freund in Tetis Haus, Vaters Obersten Haushofmeister, dachte er. Sie stecken immer zusammen, wenn die Taos zu Besuch sind. Ein eindrucksvoll ruhiger Mann.
Seine Tani saß auf einer Matte neben ihrer Schwester, hatte die Knie unter dem durchsichtigen roten Leinen hochgezogen und mit beringten Armen umfasst, und beim Sprechen hüpfte ihr das wellige Haar auf den Schultern. Da schmolz er einfach dahin. Er wusste nicht, was sie an sich hatte, dass sie bei ihm diese Reaktion auslöste. Sie war so ganz anders als die übrige Familie, und dennoch hatte ihn ihr Wutausbruch erschreckt, und er hatte absichtlich nicht darauf reagiert. Auch sie hatte den übermächtigen Stolz der Taos.
Ihre Schwester Aahmes-nofretari war eine jüngere Ausgabe ihrer Mutter, dunkel,
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