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Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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etwas über den Mordversuch an Seqenenre gewusst haben, oder? Das hätte er gewiss jemandem erzählt, hätte seinen angeheirateten Verwandten gewarnt, das schuldet er unseren Blutsbanden. Oder vielleicht doch nicht? Si-Amuns verworrenes Gerede hatte den Keim zu einer gewissen Unruhe gelegt.
    Er fing Tanis Blick auf. Mit dem Kopf machte er ihr deutlich, dass sie sich Seqenenres Erlaubnis für einen Spaziergang im Garten holen sollten. Wenn ich Tani doch mit nach Haus nehmen könnte, dachte er, während er auf den Tisch des Fürsten zuging. Ich komme mir vor wie ein Kind, das sich verirrt hat, und es wird Nacht. Sowie der Vertrag unterzeichnet ist, breche ich auf.
    Am darauf folgenden Morgen krakelte Seqenenre seinen Namen unter den Verlobungsvertrag. »Du kannst Teti ausrichten«, teilte er einem beklommenen Ramose mit, der sich Mühe gab, die verzerrten, jedoch heftigen Worte zu verstehen, »dass mich der sechsmonatige Aufschub der Vermählung gekränkt und verstimmt hat. Ich habe eine gute Mitgift gezahlt. Tani stammt aus einem einzigartigen Geschlecht. Falls es weitere Probleme gibt, ziehe ich meine Einwilligung zurück und fordere von Teti Wiedergutmachung.« Die linke Gesichtshälfte des Fürsten war starr, eine unbewegliche Maske, die rechte jedoch glühte gereizt. Ramose überwand seine Angst vor diesem Furcht einflößenden Mann.
    »Mein Vater hat mir seine Gründe nicht dargelegt«, sagte er. »Aber ich muss seinen Entschluss achten, Fürst. Wenn ich Tani in sechs Monaten hole, habe ich ein reines Gewissen.« Er zwang sich, Seqenenres Blick standzuhalten. »Gebieter, du vergisst, dass ich deine Tochter liebe und genauso enttäuscht bin wie du.« Auf einmal legte Seqenenre Ramose überraschend den rechten Arm um die Schulter und drückte ihn an sich.
    »Du gefällst mir«, sagte er. »Dein Mut gefällt mir. Wie ich sehe, hast du Geschenke. Geh und gib sie ihr. Ich werde bei deinem Aufbruch nicht an der Bootstreppe sein, aber ich wünsche dir eine gute Reise.«
    Er humpelte fort, und Ramose sah ihm nach, dann bedeutete er einem Diener, den Kasten zu seinen Füßen zu nehmen und ihn zu den Frauengemächern zu begleiten. Falls ich es nicht besser wüsste, dachte Ramose besorgt, könnte man diese Worte als eine Art letztes Lebewohl deuten.
    Tani klatschte in die Hände und jubelte über die Geschenke, dann ließ sie ihre Mutter und Schwester holen, damit diese sie auch bewundern konnten. Da gab es Ballen mit Leinen erster Güte in vielen verschiedenen Farben, Tiegel mit Goldstaub, den man über das Kohl und die Augenschminke stäuben konnte, Salbenlöffel aus Elfenbein und mit Gold eingelegt, gefärbte Straußenfedern aus Kusch, Ohrringe aus Silber und Jaspis und ein kleines Nilpferd aus Alabaster mit schwarzen Augen aus Obsidian und Zähnen aus Elfenbein. Tani drückte es begeistert an die Brust. »Wie aufmerksam von dir, Ramose«, sagte sie glücklich und jählings schüchtern. »Du hast daran gedacht, wie sehr ich sie liebe.« Ramose lachte.
    »Das konnte ich wohl kaum vergessen bei den vielen Malen, die du mich in die Sümpfe geschleppt hast, damit ich sie bewundere!«, gab er zurück. »Tani, ich muss gehen. In sechs Monaten, wenn die Festlichkeiten vorbereitet sind, schicke ich dir Nachricht, und dann muss ich dir nie wieder Lebewohl sagen.« Er verneigte sich vor Aahotep. »Vielen Dank für deine Gastfreundschaft, Fürstin. Ich werde Thot für die völlige Genesung deines Gemahls opfern.« Aahotep wandte ihm den dunkel bewimperten Blick zu und legte eine warme Hand auf seine Wange.
    »Grüß die Familie von mir, Ramose«, bat sie mit belegter Stimme. Dann zog sie die Hand zurück und blickte Tani an, dann wieder Ramose, und er verwunderte sich über ihre sachliche Miene. Er gab Aahmes-nofretari einen Kuss, und dann gingen er und Tani zur Bootstreppe, wo seine Barke in der leichten Dünung dümpelte, doch die Stander hingen schlaff in der beinahe stehenden Luft. Dort umarmte er sie noch einmal, und ihr schossen die Tränen in die Augen; dann lief er die Laufplanke hoch.
    Sein Schiffsführer gab das Zeichen zum Ablegen. Behek bellte außer sich, als das Boot davonglitt und sich in die nach Norden ziehende Strömung drehte. Ramose lehnte an der Reling und sah Tani immer kleiner werden, eine aufrechte Gestalt in fließendem weißem Leinen, die ein Hund umsprang. Ein Kloß stieg ihm in die Kehle. Sie ist sehr tapfer, dachte er. Tapfer und treu. Dass er so stark fühlen konnte, überraschte selbst ihn, er winkte

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