Der fremde Pharao
wollte nach Norden aufbrechen, und dann hat jemand versucht, ihn umzubringen. Wir wissen nicht wer, und wir werden es wahrscheinlich auch nie herausbekommen.« Ihre Stimme zitterte. »Wir glauben alle, dass Apophis seine Hand im Spiel hatte.« Ramose legte den Arm um ihre Mitte, und dann gingen sie weiter.
»Es tut mir Leid, dass du so viel Kummer hast«, sagte er, »aber du siehst doch ein, nicht wahr, dass mein Vater für seinen guten Ruf sorgen muss. Er wartet die sechs Monate ab, weil er sicher gehen will, dass Seqenenre seine Lektion gelernt hat und von nun an Ruhe gibt.«
»Wie taktvoll du das ausdrückst!«, platzte Tani heraus, und sie wehrte sich gegen seine Hand. »Du redest, als ob mein Vater ein störrischer Hund ist, dem man mit der Peitsche Fügsamkeit beibringen muss!«
»Ich bin immer ehrlich mit dir gewesen«, tadelte Ramose sie. »Es hat doch keinen Zweck, um den heißen Brei zu reden, Tani. Unsere Zukunft hängt davon ab.«
»Nun denkst du wohl, dass mein Vater ein Heuchler und Verräter und obendrein nicht bei Trost ist?«
Sie hatten die Bootstreppe erreicht. Er zog sie auf die weißen Steine. Das Wasser plätscherte und sog an ihren Füßen. Eine Entenfamilie kam aus dem Ried und zog in Pfeilformation elegant auf eine der kleinen Inseln zwischen dem Ost-und dem Westufer zu und ließ dabei ein Kielwasser hinter sich. Die fernen Felsen flirrten heiß und hellgelb vor einem wolkenlosen Himmel. »Ich glaube, dass seine Sache gerecht ist, die Art, wie er es angeht, jedoch verfehlt«, antwortete er, kniff die Augen gegen die Sonne zusammen und richtete den Blick auf die Enten, die nun eine nach der anderen ans felsige Ufer watschelten. »Ich bin nicht wie mein Vater, ich richte mich nicht behaglich mit der Setiu-Herrschaft ein. Eines Tages würde ich gern wieder einen ägyptischen Gott auf dem Horusthron sehen. Aber das geschieht nicht mehr zu unseren Lebzeiten.« Er zwang sie, ihn anzusehen. »Dein Vater ist ein tapferer Mann, aber hoffentlich ist sein Wutanfall verflogen.«
Tani gab keine Antwort. Sie schenkte ihm ein flüchtiges Lächeln und wandte den Blick ab. Seine Wut ist nicht verflogen, dachte sie. Sie wird nie verfliegen. Und was das Heer angeht, so ist es nach Haus geschickt worden. Ich kann nur flehentlich hoffen, dass es nicht zurückgerufen wird, aber es gefällt mir gar nicht, wie Hor-Aha und Kamose stundenlang mit ihm zusammenhocken und sich Kamose und Si-Amun jedes Mal streiten, wenn sie zusammen sind. Da braut sich irgendwas zusammen, und es macht mir Angst. Niemand sagt mir etwas. Alle denken, ich bin noch ein Kind, nur weil ich die Jüngste bin und geschont werden muss.
Jäh ergriff sie Ramoses Hand. »Ramose, bin ich für dich eine Frau«, fragte sie ihn dringlich, »oder ein hübsches Mädchen, das deine Zuneigung gewonnen hat und zu dem du lieb und nett bist? Ist das schlicht eine vorteilhafte Heirat für dich?«
»Tani«, schalt er sie. »Es gibt daheim Dutzende von Frauen, die hübsch sind und zu denen ich lieb und nett bin. Ich habe gesehen, wie aus einem übermütigen Kind eine schöne junge Frau geworden ist, die schnell denkt und genauso schnell aufbraust. Ich liebe dich. Was die vorteilhafte Heirat angeht, na ja«, bei diesem Gedanken seufzte er. »Du bist zwar eine Prinzessin, aber deine Familie lebt jetzt unter der Wolke des königlichen Missfallens, und deswegen macht sich mein Vater Sorgen. Warum dieser plötzliche Zweifel?« Sie rieb die Wange an seinem warmen Oberarm.
»Ich möchte doch glücklich werden«, flüsterte sie. »Ich möchte für ewige Zeiten mit dir in Chemmenu leben. Ich schaffe es kaum noch, Vater anzusehen, in seiner Gegenwart fröhlich zu sein und Munterkeit vorzutäuschen. Er war so aufrecht und liebenswürdig, Ramose, jeder Zoll ein Edelmann! Jedes Mal, wenn ich mich zwinge, zu ihm zu gehen, packt mich eine schreckliche Wut auf den König, und das Herz tut mir weh bei dem Gedanken, wie es früher war. Bitte, nimm mich mit.«
Darauf wusste er nichts zu sagen. Er drückte sie an sich und streichelte sie stumm, bis er spürte, dass sie sich entspannte, und dann sprachen sie über andere Dinge. Doch als sie sich zum Abendessen zu der übrigen Familie gesellten, da ging ihm auf, dass er diese stolzen Taos zurückhaltend und wachsam musterte. Der Abend war heiß, die brütende Sommerhitze kündigte sich an.
Seqenenre, der nur einen dünnen Schurz aus Leinen anhatte, aß wenig. Seine Krücke lag unauffällig hinter ihm, wo Uni stand. Der
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