Der fremde Pharao
Mersu voll ins Gesicht traf. Der Haushofmeister taumelte rückwärts, eine Hand fuhr zur Wange, doch er erholte sich schnell. Er lächelte sogar. Si-Amun ging an ihm vorbei, denn auf einmal wollte er nur noch an die frische Luft.
Statt in seine Gemächer zu gehen, lief er in den Garten und stand keuchend und schaudernd am Teich. Nach einem Weilchen hatte er sich so weit im Griff, dass er sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern konnte. Ich habe nicht einmal einen Freund, dem ich mich anvertrauen kann, dachte er im Gehen. Niemanden, mit dem ich diese Bürde an Schuld und Hass teilen kann, der eine Lösung hätte, der mir Verständnis und Mitgefühl entgegenbrächte. Hoffentlich töten mich Apophis’ Krieger auf dem Schlachtfeld, denn genau das verdiene ich.
Gegen Ende des Monats Epiphi waren alle Vorbereitungen getroffen. Die Soldaten waren wieder in ihrem Dorf in der Wüste. Die Esel standen in einem Pferch am Fluss und konnten mit ihrer Last an Lebensmitteln beladen werden. Die Pferde waren geschult und gepflegt. Die Hauptleute hatten sich mit Kamose und Hor-Aha eingeschlossen und nahmen letzte Befehle entgegen.
Am letzten Abend schickte Seqenenre, den die drückend heiße Dunkelheit müde, störrisch und noch schicksalsergebener gemacht hatte als zuvor, nach Ahmose. Es war Hochsommer und das Land wie jedes Jahr verdorrt und hässlich. Um diese Jahreszeit wirkten die Götter feindselig. Re, der Höchste, verbrannte seine Untertanen. Amuns Weisheit und Sanftheit verblasste während der glühend heißen Tage und der erstickenden Nächte. Die kuhköpfige Hathor war zu schläfrig, als dass sie die Gebete der Frauen beantwortet hätte, die sie um Schönheit und Kraft inmitten einer Hitze anflehten, die die Haut zerknitterte und den Beterinnen die Energie aussog.
Seqenenre ging wegen seiner Gebrechen nicht mehr gern nackt wie so viele andere. Er trug das lange Wesirgewand, als Ahmose um Einlass bat und sich über die Fliesen näherte. Ahmoses Haar glänzte nass, und als er Seqenenre umarmte, fühlte sich seine Haut feucht und kühl an. »Du bist schwimmen gewesen«, bemerkte Seqenenre unnötigerweise. »Möchtest du ein Bier haben?« Ahmose nickte und schenkte sich aus dem Krug auf Seqenenres Nachttisch ein, ließ sich mit dem Becher in der Hand auf dem Boden nieder, stützte einen Arm auf das Lager und machte es sich bequem. Seqenenre stand so nahe am Fenster, wie es eben ging, doch die Nachtluft war wie ein greifbarer, dicker Vorhang. »Sei nicht beleidigt, dass du daheim bleiben musst«, sagte Seqenenre ohne Vorrede, während er die winzigen Bewegungen von Ahmoses Muskeln betrachtete, als dieser die Lage wechselte. »Jemand muss hier bleiben, die Frauen anweisen und sich um die Nomarchenpflichten kümmern.« Ahmose brauchte ein Weilchen, bis er das Gestammel entschlüsselt hatte, er hielt dabei den Blick auf den Mund seines Vaters gerichtet. Dann hob er die Schultern und lächelte gutherzig.
»Ich habe vielleicht mehr Zeit als nötig mit der Jagd auf die Tiere der Erde und der Luft vergeudet«, bekannte er, »aber als jüngster Sohn bin ich nie auf den Gedanken gekommen, dass ich irgendwann einmal die Fürstenrolle übernehmen muss. Ich habe Spaß gehabt, Vater. Ich habe mein Leben geliebt. Essen, schlafen, sich an langen Winterabenden unter Palmen betrinken, wissen, dass von mir nichts weiter erwartet wird, als einfach da zu sein. Jeder Gott hat mich verwöhnt, ganz zu schweigen von meiner lieben Mutter und meinen Schwestern. Aber das Leben spielt seltsam, nicht wahr?« Das bestätigte Seqenenre mit einem Kloß im Hals. Ahmose mit seiner sorglosen Fröhlichkeit hatte die Familie immer aufgeheitert und ohne es zu wissen die alltäglichen Sorgen und Ärgernisse kleiner gemacht. »Als Kind bin ich für meine Lehrer keine reine Freude gewesen«, fuhr Ahmose fort. »Ich wollte nichts als angeln, Enten aus dem Himmel holen und Hyänen auflauern. Aber ich bin nicht dumm. Du machst dir, glaube ich, Sorgen, weil du die Regierung in meinen Händen lassen musst.« Er trank die Neige seines Biers, stellte den Becher neben sich auf den Boden und strahlte Seqenenre an. »Ich werde gewiss ein paar Fehler machen, aber unbewusst weiß ich, was ich zu tun habe. Schließlich stamme ich aus einem Herrscherhaus. Und vergiss nicht Großmutter, die mir eins hinter die Löffel gibt, falls ich ins Stolpern gerate, und Uni, der mich anstachelt, falls ich nachlasse. Keine Bange, Vater, du kannst dich auf mich verlassen.«
Ja, das
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