Der fremde Pharao
kann ich, dachte Seqenenre, als er ihm in das hübsche, von Lebenskraft und guter Laune strotzende Gesicht blickte. Du bist ein aufrichtiger Mensch, und der Samen jener Größe, die Menschen dazu bewegt, dir zu folgen, keimt bereits. Ach, könnte ich doch nur erleben, wie er aufblüht.
Sie sprachen noch ein wenig miteinander, denn beide verschlossen die Augen davor, dass die Zeit zu schnell verging, und keiner erinnerte an den kommenden Morgen, bis Ahmose aufstand.
»Ich schwitze schon wieder«, sagte er. »Ich gehe, glaube ich, noch einmal schwimmen, ehe ich versuche zu schlafen. Der Nil ist im Sternenschein so schön, das dunkle Wasser und die kleinen silbrigen Wellen.« Er blickte verlegen auf seine Füße. »Vater, ich bin morgen nicht dabei, wenn sich das Heer aufstellt und aufbricht«, sagte er leise. »Amunmose wird, solange du fort bist, an deiner Stelle die Riten vollziehen, aber ich sollte morgen wohl anwesend sein.«
»Ich verstehe.« Seqenenre kam zu ihm gehumpelt und gab ihm einen herzlichen Kuss. »Ich liebe dich, Ahmose. Du darfst gehen.«
»Mögen deine Sohlen festen Tritt finden, Fürst.« Ahmose schenkte ihm ein zittriges Lächeln, dann war er gegangen.
Seqenenre wusste, dass Aahotep bald zu ihm kommen würde. Er fürchtete sich vor ihrer tapferen Miene, ihrer zärtlichen Berührung, vor der Angst und dem schmerzlichen Verlust, den ihre Augen nicht verbergen konnten. Er liebte sie inniglich, aber in dieser Nacht, seiner letzten Nacht, wollte er allein sein. Er konnte nicht schon wieder trösten, da er seine wenigen Kräfte für sich selbst sammeln musste. Sein Leibdiener trat ein, wusch ihn und half ihm ins Nachtgewand. Er ließ alles abwesend über sich ergehen, dachte mit gerunzelter Stirn an Einzelheiten von morgen und war gerade auf sein Lager gesunken, als Uni eintrat. »Si-Amun ist da«, sagte der Haushofmeister. »Willst du ihn empfangen?« Bedrückt nickte Seqenenre.
»Lass ihn herein.« Uni entfernte sich. Si-Amun schloss die Tür hinter sich und trat zögernd ans Lager. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen, und seine Haut sah fahl aus. Seqenenre klopfte auf die Laken, und Si-Amun ließ sich neben ihn sinken. »Bist du krank?«, fragte Seqenenre brüsk und überlegte dabei, ob es sich um einen Trick von Si-Amun handelte, sich dem Feldzug zu entziehen, doch Si-Amun verneinte.
»Nein, Vater, ich bin nicht krank. Ich wollte dir nur sagen … sagen …«, seine Lippen zitterten. »Morgen wird das Durcheinander groß sein und in den kommenden Tagen wenig Zeit für eine ungezwungene Unterhaltung. Vielleicht bietet sich mir nie wieder Gelegenheit, dir etwas zu sagen.« Er blickte Seqenenre in die Augen. »Ich liebe dich, Vater. Ich bedaure zutiefst, dass ich dir so viel Schmerzen verursacht habe. Wenn ich deine Krankheit auf mich nehmen könnte, ich würde es tun. Bitte, glaub mir, dass ich nach besten Kräften und gern neben dir kämpfe. Sei bedankt für das Leben, das du mir geschenkt hast.« Er war so bedrückt, dass er die Worte kaum herausbrachte. Seqenenre war erschüttert.
»Der einzige Schmerz, den du mir bereitet hast, war, deine Not zu sehen und dir nicht helfen zu können«, erwiderte er verwundert. »Du leidest sogar jetzt noch, behältst aber alles für dich. Sag es mir, Si-Amun.« Nun liefen dem jungen Mann die Tränen über die Wangen.
»Das geht nicht«, sagte er. »Glaub mir, was ich gesagt habe, Vater. Als Mensch bin ich wertlos, aber mein Arm wird sich zu deiner Verteidigung heben. Verzeih mir.«
»Wofür denn?« Mit einem Ruck wandte sich Si-Amun mit zusammengebissenen Zähnen und geballten Fäusten ab.
»Verzeih mir!«
»Wie könnte ich dir wohl nicht verzeihen?«, antwortete Seqenenre zutiefst verstört. »Beruhige dich, Si-Amun.« Statt zu antworten, lächelte der junge Mann unter Tränen und lief zur Tür, riss sie auf und verschwand in der Dunkelheit.
Auf einmal schoss Seqenenre der Schmerz durch den Kopf. Sein Lid zuckte. »Uni!«, rief er. »Geh zum Arzt und hol mir Mohn. Bei diesen Schmerzen kann ich nicht schlafen!« Doch Aahotep antwortete ihm.
»Er hat dich gehört, Seqenenre.« Sie war, gefolgt von ihrem Haushofmeister Kares, mit einem zusammenklappbaren Feldbett ins Zimmer geschlüpft, das er sogleich neben dem Lager aufstellte. Aahotep bedeutete ihm, sich zu entfernen. »Wir haben uns monatelang nicht geliebt«, sagte sie entschlossen. »Ich verstehe warum, auch wenn ich es für falsch halte. Ich bin nicht gekommen, um mich mit dir zu streiten, ich
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