Der fremde Pharao
als sie ihm auf die Beine halfen. Uni schob ihm die Krücke unter den Arm. »Sind die Streitwagen angespannt?«
»Ja. Wartest du bitte hier, bis das Heer in Marschordnung aufgestellt ist?«, drängte Kamose. »Gerade ist der Hohe Priester eingetroffen, um uns Amuns Segen zu geben. Wenn das getan ist, halte ich eine Ansprache.«
Si-Amun sagte nichts. Als Seqenenres Erbe wäre es an ihm gewesen, den Soldaten eine Ansprache zu halten, aber er reckte lediglich das Kinn, kniff den Mund zu einer schmalen Linie zusammen und winkte ungeduldig nach einem Stuhl, auf den sich Seqenenre dann sinken ließ. Kamose und Si-Amun verzogen sich, und dann hörte Seqenenre einen Schwall barscher Befehle. »Hauptleute der fünfzig! Hauptleute der hundert! Lasst antreten! Befehlshaber zur Estrade!« Er spürte eine weiche Hand auf seiner Schulter. Die jungen Frauen standen neben ihm.
»Vater, wenn du an Chemmenu vorbeikommst, sag Ramose, wie sehr ich ihn liebe, und versuche Teti zu überreden, dass er den Vertrag erfüllt«, flehte Tani. Sie bückte sich und gab ihm einen Kuss. »Pass gut auf dich auf. Halte dich aus dem Kampf heraus. Du bist der Fürst, du kannst, wenn du willst, befehligen, ohne dich dabei in Gefahr zu bringen.« Ihre Stimme brach. Seqenenre nickte stumm, hob die Hand und streichelte ihr Gesicht. Aahmes-nofretari weinte jetzt aus großen, tränenverquollenen Augen, die denen ihrer Mutter so sehr glichen. Er nahm kurz ihre Hand und hätte am liebsten selbst geweint. Aahotep an seiner Seite schwieg noch immer. Ihr Leinen berührte seine Knie.
Das Geschrei und Getrappel rings um sie wurde lauter, dann verstummte es langsam zu abwartendem Schweigen. Allmählich legte sich auch der Staub. Amunmose stieg in langer Robe und mit Leopardenfell auf die Estrade, neben sich einen Tempeldiener mit einem Weihrauchgefäß. Er begann, für Sieg und Schutz zu beten. Dann nahm er das Weihrauchgefäß und schwenkte es über den angetretenen Reihen. Neben ihm stand ein großer goldener Pokal mit Bullenblut, damit würde er die Soldaten im Vorbeiziehen an der Estrade bespritzen.
Seqenenre lauschte der klaren, hallenden Stimme seines Freundes, und eine böse Vorahnung schnürte ihm das Herz zusammen, denn er fragte sich, ob irgendjemand außer ihm wusste, wie völlig nutzlos seine Geste war. Er war das Instrument, das Tani, Aahmes-nofretari und ihr ungeborenes Kind und seine Frau vernichtete. Er wagte nicht, an die Zwillinge zu denken, die beide hoch gewachsen und nachdenklich in Kampfausrüstung auf der Estrade standen. Er wagte nicht daran zu denken, ob der König auch wirklich in weiter, weiter Ferne war. Nur der Gedanke an sein eigenes Schicksal vermittelte ihm Frieden. Selbstsüchtig, sagte er sich. Ich habe keine andere Wahl gehabt, aber trotzdem wäre es mir lieber gewesen, Apophis und ich hätten das im Zweikampf ausgetragen, ehe ich diese nutzlose Hülle geworden bin.
Re hatte sich über der östlichen Wüste erhoben und funkelte golden auf den Spitzen Hunderter Lanzen, die wie ein Wald auf der Ebene emporragten, und blitzte hell auf den Speichen der Streitwagenräder, die hin und her rollten, während die ruhelosen Pferde wieherten und stampften. Jenseits des Nils erhoben sich die Mauern von Seqenenres Anwesen, und der Tempel schimmerte gedrungen und braun. Auf der geschrumpften Wasseroberfläche des Flusses brach sich das Licht und ging in dem sachten Geplätscher unter. Jäh lagen die westlichen Felsen gezackt und schön im Licht. Ach, Waset, dachte Seqenenre. Ruhig, heiß und verschlafen. Ein Ort, an dem der Mensch sein Leben voller Zufriedenheit verträumen kann. Der Schmerz, dich zu verlieren, ist wie ein Messer in die Rippen. Lebe wohl.
Amunmose schwieg jetzt. Si-Amun verließ die Estrade und half seinem Vater, der ihm langsam entgegenging. Zusammen stiegen sie die paar Stufen hoch, Si-Amun hatte den Arm um seinen Vater gelegt. Kamose begann mit seiner Ansprache, doch Seqenenre, der gefährlich auf seiner Krücke schwankte, hörte den kraftvollen Worten seines Sohnes kaum zu. Worte von Maat, Majestät und guter Sache flossen an ihm ab. Er musterte die säuberlichen Reihen, seine Augen wanderten von den harten Mienen der Tapferen des Königs gleich unter ihm, die sich die Bogen über die mächtigen Schultern geworfen hatten, an den Streitwagen und den Pferden mit den blauen Federbüscheln und den Wagenlenkern mit dem blauen Kopftuch vorbei zu den Fußsoldaten, die in Reih und Glied in Habtachtstellung standen.
Die
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