Der fremde Pharao
will lediglich die Nacht hier verbringen. Amun allein weiß, wann ich dich wieder sehe.«
Er lag da und sagte nichts, sondern sah ihr zu, wie sie den dünnen Umhang ablegte und nach ihrem Nachtgewand griff. Sie war aus lauter Rundungen geschaffen. Ihre Hüften zitterten. Ihre Brüste schaukelten. Ihre Haut schimmerte im Schein des Nachtlichts zart bronzefarben. Kundig zog sie den Kamm durch ihr glattes schwarzes Haar, hielt es mit einer Hand, während sie den Kopf schief legte und die verfilzten Stellen bearbeitete, dann warf sie das Haar zurück, und es fiel ihr glänzend und gezähmt auf die Schultern. »Wie heiß es ist!«, sagte sie auf einmal. »Ich habe auf dem Flur Si-Amun aus deinem Zimmer kommen sehen. Er hat mich fast umgerannt. Was hat er gewollt?«
Seqenenre fand die Stimme wieder. Er kam sich unbeholfen und albern vor und war wie immer überwältigt von ihrer angeborenen Sinnlichkeit, dennoch verwünschte er sich innerlich, weil er nicht an ihre Liebe glaubte. Was dachte sie, wenn sie ihn jetzt nackt sah mit schlaffem, nutzlosem Bein und Arm, die ungewollt hierhin und dorthin rutschten, einem Mund, der keinen Kuss mehr zustande brachte, dem zum ständigen Zwinkern verzogenen Lid? Wie sehr sie auch ihre Zuneigung beteuerte, sie war eine reife Frau und die Aufmerksamkeiten des kraftvollen Mannes gewöhnt, der er einmal gewesen war. Gewiss sah er irgendwo in diesen rauchigen Augen ein Zurückscheuen, eine Verachtung? »Ich weiß es nicht«, sagte er langsam. »Er hat mir mitgeteilt, dass er gern neben mir kämpft und dass ihm etwas Leid tut, und dann ist er gegangen.«
Es klopfte taktvoll an die Tür. Uni trat mit einem Tablett ein, auf dem ein kleiner Krug stand. Seqenenre atmete erleichtert auf. Er trank die bitter schmeckende Arznei des Krügleins und schloss die Augen. Uni ging leisen Schrittes hinaus. Aahotep schwieg, abgesehen davon, dass sie sanft atmete. Seqenenre spürte, wie sich sein Leib langsam entspannte und schläfrig wurde. Der Schmerz ließ nach. Seine Gedanken verschwammen, und dann schlief er.
Irgendwann im Laufe der Nacht erwachte er halbwegs und fand Aahotep neben sich ausgestreckt, und ihre Lippen glitten bedächtig über seine Brust. Er knurrte protestierend, war jedoch zu schlaftrunken, um sich zu bewegen. »Schscht«, flüsterte sie. »Du kannst ja so tun, als ob alles nur ein Traum ist.«
»Ich bin doch kein Feigling«, murmelte er als Antwort, »aber ich will dein Mitleid nicht, Aahotep.« Dafür biss sie ihn.
»Ich kenne niemanden, der weniger Mitleid verdient«, fauchte sie. »Willst du mich verlassen, ohne diesen Hunger gestillt zu haben?« Ihr Mund erkundete jetzt seinen Unterleib, und er spürte, dass er reagierte. »Vergiss deinen Stolz«, bat sie. »Den brauchst du bei mir nicht. Ich liebe dich, Fürst.« Innerlich verzweifelt und verkrampft tat er, um was sie ihn bat, doch die Leidenschaft, die er verspürte, konnte das Gefühl der Erniedrigung nicht vertreiben.
Im Morgengrauen wurde er über den Fluss gestakt und dann zu dem zerstampften, großen Platz getragen, wo sich das Heer sammelte. Aahotep saß neben ihm in der Sänfte. Sie sprachen nicht. Es gab nichts mehr zu sagen. Seqenenre trug einen blauen Schurz und kräftige Ledersandalen und um den Kopf das gestärkte blaue Kopftuch des Streitwagenfahrers. Sein Speer lag neben ihm, an seinem Gurt hing ein Messer, doch Pfeil und Bogen hatte er nicht dabei.
Während sie auf den provisorischen Exerzierplatz zuschwankten, wurde das ferne Stimmengewirr zum Gebrüll, das aus der trockenen Staubwolke drang, die die braunen Bäume überpuderte und fein und hell in der Luft hing. Die Träger verlangsamten den Schritt. Seqenenre sah, dass sich die Frauen der Familie unter einem Sonnensegel scharten. Aahmes-nofretari sah verschlafen aus. Tani hatte sich sorgfältig angezogen und trug viel von dem Geschmeide, das ihr Ramose geschenkt hatte, aber ihr eng anliegendes, schlichtes Hemdkleid war blau, die Farbe der Trauer. Tetischeri saß zwischen Isis und Mersu, ihre Perücke war mit Goldblumen geschmückt, und ihre Ohrringe schwangen hin und her. Sie hatte Gelb gewählt, eine siegreiche, viel versprechende Farbe, und Seqenenre lächelte anerkennend in sich hinein. Von der ganzen Familie zweifelte nur seine Mutter nicht an dem Ausgang der Auseinandersetzung.
Die Sänfte hielt an. Kamose kam aus dem Staub herbeigeeilt, neben sich Si-Amun. »Ihr müsst den Soldaten an meiner Stelle eine Ansprache halten«, sagte Seqenenre zu ihnen,
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