Der fremde Pharao
später, als sein Leibdiener ihn mit einem Laken zudeckte und er die Arznei trank, die der Arzt geschickt hatte, könnte gar nicht unbeholfener sein.
Irgendwann mitten in der Nacht wurde er durch dringliche Stimmen vor seinem Zelt geweckt. Benebelt von dem Schmerzmittel, stemmte er sich mühsam in eine sitzende Stellung. Sein Leibdiener kam von seinem Strohsack auf dem Boden hoch und griff nach der Lampe, um sie aufzufüllen. »Ich darf den Fürsten nicht im Schlaf stören«, hörte Seqenenre einen Soldaten seiner Leibwache sagen. »Falls du es wünschst, kann ich dich zu General Hor-Aha bringen.«
»Nein!«, entgegnete jemand scharf. »Seqenenre muss mich auf der Stelle empfangen!«
»Das ist Ramoses Stimme«, sagte Seqenenre laut und dann zu seinem Diener: »Lass ihn ein.«
Er fuhr mit der Zunge über die Lippen, die vom Mohnsaft ausgetrocknet waren. Die Zunge fühlte sich doppelt so groß an. Mit behutsamen Bewegungen schenkte er sich Wasser ein, trank durstig und stellte den Becher gerade wieder ab, als Ramose ins Zelt geführt wurde. Die begleitende Leibwache stand unschlüssig da, eine Hand auf dem Messer am Gurt. Seqenenre nickte ihm zu. »Danke für deine Wachsamkeit«, sagte er. »Bei diesem Mann bin ich gut aufgehoben. Du kannst gehen.«
Ramose trat näher. Er sah angespannt und zerzaust aus. Wortlos verneigte er sich, und auf Seqenenres Aufforderung hin setzte er sich auf die Matte neben dem Feldbett. Seqenenre wunderte sich über Ramoses Anwesenheit hier im Zelt, er war ungeschminkt und sah krank aus. »Ramose, woher kommst du?«, fragte er schließlich. »Wohin willst du? Bist du auf dem Weg nach Süden über mein Heer gestolpert?« Ramose schüttelte den Kopf.
»Könnte ich vielleicht etwas Wein haben, Fürst. Ich bin ziemlich fertig.« Und er zitterte in der Tat. »Ich dürfte gar nicht hier sein. Vor ungefähr zwei Stunden habe ich mein Zelt verlassen und meinem Diener befohlen, allen Besuchern zu sagen, dass ich bis morgen früh nicht gestört werden möchte. Der Arme vergeht vor Angst, ist aber treu. Falls man mich entdeckt, werde ich hingerichtet.« Seqenenres Diener brauchte keinen Befehl. Er war bereits hinausgeschlüpft und gleich darauf mit einem Weinkrug und einem Becher zurückgekommen. Ramose bedankte sich, schenkte sich ein und trank. Als er sich den Mund mit dem Handrücken wischte, hatte er sich etwas beruhigt.
»Was tust du hier in Qes?«, fragte Seqenenre bestürzt, und dann kam ihm ein furchtbarer Verdacht. »Jagst du draußen in der Wüste?« Ramose schüttelte den Kopf. Er fuhr sich langsam mit der Hand über die Knie, vor und zurück, vor und zurück.
»Fürst, man hat dich verraten«, sagte er mit belegter Stimme. »Pezedchu, der General des Königs, lagert gleich hinter Qes. Er und dazu eineinhalb Divisionen. Apophis hat nämlich nicht gewusst, wie viele Soldaten mit dir nach Norden marschieren würden, also hat er so viele geschickt, dass sie dein Heer auf jeden Fall überrennen können. Falls du die Grenzen deines Machtbereichs überschreitest, wirst du vernichtet. Falls du das Lager aufhebst und auf der Stelle nach Waset zurückmarschierst, kannst du die blutige Auseinandersetzung noch vermeiden.« Seqenenre blickte ihn mit großen Augen an, und das Blut stockte ihm in den Adern.
»Aber das ist unmöglich!«, rutschte es ihm heraus, und dabei packten ihn so heftige Gefühle, dass er fast nicht zu verstehen war. Er drückte den Finger auf den verzerrten Mund. »Nur wenn …«
»Nur wenn jemand Apophis vor langer Zeit benachrichtigt hat, noch ehe du deine Streitkräfte zusammengezogen hattest«, beendete Ramose Seqenenres Satz. »Tut mir Leid, Fürst, aber genau das ist geschehen. Vor einem Monat hat mein Vater in Chemmenu Kunde von deinen Absichten erhalten, und die hat er an Apophis weitergeleitet. Ich schwöre, ich habe nichts davon gewusst bis zu dem Tag, als mein Vater eine Rolle des Königs entsiegelt hat, die ihm mitteilte, dass ein Heer in Marsch gesetzt worden sei, das dich so weit südlich wie möglich vernichten sollte.« Ramose blickte auf seine Knie. »Ich war entgeistert, ich konnte es nicht fassen, dass mein eigener Vater seinen angeheirateten Verwandten, seinen Freund, verraten hatte. Aber unsere Familie hat in der Vergangenheit viel erdulden müssen.« Er blickte Seqenenre flehentlich an. »Hätte Teti dich nicht an Apophis verkauft, hätte er sich durch Mundhalten verdächtig gemacht. Apophis hätte geglaubt, dass Teti dir hilft, auch wenn mein Vater
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