Der fremde Pharao
das natürlich abgestritten hätte. Seqenenre, ich schäme mich.«
»Ich habe Verständnis für den Verrat deines Vaters«, erwiderte Seqenenre betrübt. »So viele, denen man die Treue halten muss, Ramose, so viele private Qualen! Aber woher hat Teti gewusst, was nur in meinem Haus besprochen worden ist? Ist der Verräter noch immer in Waset?« Ramose blickte gequält.
»Es ist derselbe Mann, der dich angegriffen hat. Die Rollen sind von Mersu gekommen.« Seqenenre stieß einen Schreckensschrei aus.
»Mersu? Unmöglich! Meine Mutter vertraut ihm völlig, er hat uns jahrelang beflissen gedient, er ist … er ist … Bist du dir sicher?«
»Ja.« Ramose räusperte sich. »Das hat mir mein Vater gesagt. Im heutigen Ägypten ist alles möglich, Fürst.« Er stand auf. »Mit Verlaub, aber ich muss gehen. Sag mir bitte nicht, was du jetzt vorhast, ich will es nicht wissen. Ich muss morgen neben meinem Vater kämpfen, aber ich schwöre, ich richte die Waffen nicht gegen dich oder deine Söhne. Du bist mein Freund.« Er blickte ihn gequält an. »Wie könnte ich wohl Tanis Familie schaden wollen?« Seqenenre sah zu ihm hoch.
»Ich weiß, was es dich gekostet hat, heute Nacht hierher zu kommen«, sagte er. »Sei bedankt, Ramose. Bislang habe ich noch keine Ahnung, was ich unternehme, aber ich bin dir ewig dankbar für deine Treue.« Ramose hatte die Hand schon auf der Zeltklappe, doch er zögerte.
»Noch eine Sache, Fürst. Deine Späher sind gestern Morgen von Pezedchu gefangen genommen worden. Man hat sie allesamt hingerichtet, aber nicht ohne einem von ihnen die Stärke deiner Truppen und die Tatsache zu entlocken, dass du zusammen mit zweien deiner Söhne ins Feld ziehst.«
»Dieser Pezedchu«, fragte Seqenenre, »was für ein Mann ist das?«
»Jung, kräftig gebaut, ein hervorragender Taktiker. Er lacht viel, aber nicht richtig, es ist eine Maske. Darunter ist er ein kalter Mensch. Gute Nacht, Fürst, und möge Amun deine Beschlüsse leiten.« Ramose verneigte sich und war verschwunden.
Seqenenre war lange zu nichts in der Lage. Er saß auf der Bettkante, hielt den leblosen Arm mit dem gesunden umfasst, wiegte sich hin und her und atmete schwer. Mersu. Mersu. Mit aller Kraft zwang er sich, in dem hoch gewachsenen, würdevollen Mann mit dem stillen Lächeln einen Verräter, seinen Feind zu sehen, als den, der sich in der Dunkelheit hinter ihm hochgeschlichen und die Setiu-Axt geschwungen hatte, doch er sah immer wieder Mersu, den Beschützer und Helfer seiner Mutter, den Glätter der Wogen, den taktvollen Berater, den Haushofmeister, der nichts verlangte.
Seqenenre war übel, er fröstelte, aber er erkannte, dass Mersus Abfall nicht die Tat eines Mannes gewesen war, der sich vor den Folgen des Aufstands fürchtete. Mersu konnte sich gut beherrschen. Und er erkannte, dass es hier nicht um geteilte Treue ging und Apophis gewonnen hatte. Nein. Mersu, der Stille, der Tüchtige, war Setiu von dem gekräuselten braunen Haar bis zu den säuberlich beschnittenen Zehennägeln und verachtete das Haus Tao wahrscheinlich, wenn er es nicht geradezu hasste. Urteile ich zu hart?, fragte sich Seqenenre innerlich aufstöhnend. Können in diesen schlimmen Zeiten nur Götter in das Herz eines Menschen blicken? Ich muss Hor-Aha und meine Söhne rufen. Ich muss entscheiden, was zu tun ist. Die unvermeidliche Auseinandersetzung ist einfach vorgezogen worden, mehr nicht. Steht jetzt an statt in ein, zwei Wochen. Auch dann wären wir nicht besser vorbereitet gewesen …
Er war ganz steif, fand nur mit großer Mühe seine Krücke und humpelte zur Zeltklappe. Der Wachposten davor drehte sich um, als er zu ihm trat. »Hol unverzüglich die Prinzen Kamose und Si-Amun und General Hor-Aha«, befahl er. »Und finde heraus, wie viele Stunden wir noch haben, ehe Re wieder geboren wird.« Sein Leibdiener, der unmittelbar vor dem Zelt hockte, kam hoch und blickte ihn fragend an, doch Seqenenre bedeutete ihm, sich wieder zu setzen, und ging ins Zelt zurück. Er hatte sich in sein Schicksal ergeben und hatte keine Angst mehr.
Sie schlüpften ins Zelt, alle drei wach und erwartungsvoll. Rasch erzählte Seqenenre ihnen von Ramoses heimlichem Besuch und seinen Neuigkeiten, während sein Blick im Dämmerlicht von einem zum anderen wanderte. Kamose seufzte und ließ die Schultern hängen. Hor-Aha verarbeitete den Schreck rasch, und Seqenenre konnte ihm ansehen, dass er bereits über neue Pläne und Möglichkeiten nachdachte.
Doch Si-Amuns Miene
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