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Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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dahin, die Augen auf einen Boden gerichtet, der eben noch tiefer Sand, dann verkrustete Erde war. Er sah sie als verschwommene, undeutliche Geister, ihr gehorsames Schweigen war unirdisch, so als wäre die Schlacht bereits geschlagen, die Soldaten gefallen und er selbst der Anführer eines Geisterheers in Richtung Unterwelt. Das machte nur die Stunde des Lichts-ohne-Re, wie er wusste, doch er konnte seine böse Vorahnung nicht abschütteln.
    Der Himmel wurde perlfarben. Die Sterne verblassten. Wenn er dem feinen Sprühregen aus Sand trotzte, den die Pferde aufwarfen, sich über die Seite beugte und den Hals verrenkte, konnte er nach vorn sehen, wo die Streitwagen der Tapferen des Königs hinaus in die Wüste rollten. Die Felsspalte von Daschlut war eine gute Wegstrecke entfernt, und sie kamen nur langsam voran, würden erst am frühen Nachmittag dort sein. Seqenenre fragte sich, wann die Späher zurückkehren würden. Wahrscheinlich kaum vor dem Heer, wenn es langsamer wurde und den sich windenden Pfad zurück zum Nil einschlug. Er zwang sich, ruhig zu bleiben.
    Mittlerweile war die Sonne aufgegangen. Das Heer marschierte an der westlichen Bergflanke in himmlisch kühlem Schatten, der im Verlauf des Morgens immer weniger werden würde. Noch waren die Männer fröhlich, als der Befehl zum Stillschweigen aufgehoben wurde, und in den dunklen Gesichtern blitzten beim Singen weiße Zähne. Gelegentlich rollte einer der Hauptleute vorbei, grüßte Seqenenre, überprüfte die Marschordnung, und die blauen Federbüschel an seinen Pferden flatterten in der Morgenbrise.
    Gerade ehe der schützende Schatten ganz verschwand, ließ Seqenenre anhalten. Die Männer gaben die Marschordnung auf, warfen sich zu Boden und warteten auf die Verteilung von Wasser und Brot. Seqenenre in seinem Streitwagen hatte die Felsen im Rücken und aß und trank angeschnallt. Langsam machte er sich Sorgen um die Pferde. Ohne Wasser ermüdeten sie schnell. Sie waren eben keine Geschöpfe der Wüste. Mit ein bisschen Glück konnte man sie an diesem Abend im Nil tränken.
    Als er seine Ration warmes, brackiges Wasser getrunken und das trockene Brot gegessen hatte, gab es keinen Schatten mehr. Befehle erklangen, die Männer reckten sich, hoben die Speere auf und formierten sich wieder. Seqenenre ließ sein Sonnensegel anbringen. Die Sonne war über die Felsgipfel gestiegen und prallte auf alle herunter. Nun sang keiner mehr. Beharrlich zogen die Männer schwitzend und durstig dahin. Amun, betete Seqenenre, während er zusah, wie Si-Amuns bronzefarbener Rücken schweißnass und sein Schurz durchsichtig wurde und ihm am Körper klebte, mach, dass wir so nicht kämpfen müssen. Sonst wird Re und nicht Pezedchu den Tod austeilen.
    Vier Stunden später sah er mit unendlicher Erleichterung, dass das Heer langsamer wurde und zum Stehen kam. Die Pferde keuchten und zitterten, ihre Flanken waren mit weißem Schaum bedeckt. Si-Amun hockte sich hin, die Zügel locker in der Hand, und lehnte den Kopf gegen die polierte Front des Streitwagens. Dann kam auch schon Kamose und stieg aus seinem. »Vor uns liegt der Durchlass von Daschlut«, teilte er seinem Vater mit. »Die Späher sind vor einer Stunde zurückgekommen und haben gemeldet, dass er frei ist. Das Land zwischen Ausgang und Fluss scheint verlassen zu sein, aber genau das gefällt mir nicht. Sie haben nicht einmal Bauern gesehen.«
    »Pezedchus Späher dürften unser letztes Lager bei Qes im Morgengrauen entdeckt haben«, dachte Seqenenre laut. »Denkt er jetzt, dass wir umgekehrt und nach Waset zurückgezogen sind, oder ahnt er die Wahrheit? Wenn ich der General wäre, ich würde Späher nach Süden schicken, dass sie unsere Flucht bestätigen, aber meine Truppen würde ich nach Daschlut führen und damit jede Möglichkeit abdecken. Er kann schneller manövrieren als wir. Er hat nicht mit dem Sand kämpfen müssen.« Er beschattete die Augen und sah Kamose an. »Was denkst du?«
    »Ich denke, man wird nicht königlicher General, wenn man nicht als Krieger genauso gerissen wie tüchtig ist«, antwortete Kamose. »Wir müssen davon ausgehen, dass er uns hart auf den Fersen ist. Können wir nicht weiter an den Felsen entlangmarschieren?«
    »Ich glaube nicht«, gab Seqenenre zurück. »Die Pferde brauchen Wasser. Der nächste Durchlass in den Felsen ist in Hor, hinter Chemmenu, und wenn wir dorthin wollen, bedeutet das einen großen Umweg durch die Wüste, weil wir Felsnasen umgehen müssten, die sich überall

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