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Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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drückte keinerlei Überraschung aus. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Er blickte wild um sich, Seqenenre nahm an nach Wein, obwohl er die Reste aus Ramoses Krug nicht angerührt hatte, doch dann verschränkte er sichtlich bemüht die Arme und starrte zu Boden. »Falls wir Barken hätten, könnten wir die Männer heute Nacht über den Fluss setzen und auf dem anderen Ufer einfach an Pezedchu vorbeimarschieren«, sagte Kamose finster, »und dann schnurstracks bis zum Delta. Wir würden ihn und seine Männer hinter uns lassen. Er würde lange brauchen, bis er seine Horden übergesetzt hätte.«
    »Aber wir haben keine Barken«, stellte Hor-Aha klar, »und selbst wenn, so ist die Nacht für solch eine Unternehmung zu weit fortgeschritten.« Er wandte sich an Seqenenre. »In der Nähe von Qes gibt es einen Durchlass im Felsen. Dort könnten wir das Heer durchführen und nach Norden in die Wüste marschieren.« Seqenenre überlegte.
    »Bis zu dem Durchlass sind es zwei Meilen«, erwiderte er, »und bis Daschlut, wo wir wieder zum Fluss stoßen können, gibt es keinen weiteren. Wir könnten ihrer Aufmerksamkeit entgehen, falls wir in die Wüste gingen, gerieten aber in einen Hinterhalt, wenn wir zum Fluss zurückkehren wollten.« Er musterte ihre angespannten Mienen. »Euer Vorschlag ist jedoch der einzige, der uns eine winzige Aussicht auf Sieg gibt. Für alles andere reicht die Zeit nicht, denn wir sitzen in der Falle. Die einzige noch offene Straße führt nach Süden, und die will ich nicht einschlagen. Mein Entschluss steht fest.« Das klang jetzt unnachgiebig. »Falls wir nach Haus laufen, zögern wir die Vergeltung nur hinaus, die uns früher oder später doch ereilt. Wir haben uns nicht diese übermenschliche Mühe gegeben, um uns ohne einen Bogenschuss vernichten zu lassen. Benachrichtigt die Hauptleute. Wir brechen das Lager auf der Stelle ab, aber bitte schweigend. Kein Lärm, keine Feuer und kein Licht. Wir marschieren zur Felsspalte und beten darum, dass wir beim Morgengrauen alle durchgezogen sind.«
    Sie berieten sich noch ein Weilchen, doch es gab nicht mehr viel zu sagen, und schließlich verteilten sie sich, weckten die verschlafenen, brummigen Soldaten und ließen die Esel mit den Vorräten beladen. Seqenenre hatte seinen Diener gerufen, saß auf seinem Feldbett und verspürte eine Mischung aus Besorgnis und einer Art abartiger Erleichterung. Erst nach geraumer Zeit ging ihm auf, dass Si-Amun kein einziges Wort gesagt hatte.
    Sie zogen über die abgestorbenen Felder und in die lichtlose Dunkelheit der Felsspalte, erst die Späher, dann die Streitwagen und die Tapferen des Königs, die sich geteilt hatten und Vorhut und Nachhut bildeten. Kamose hatte angeordnet, dass das Zaumzeug der Pferde umwickelt werden sollte, und das einzige Geräusch war jetzt das leise Getrappel der Pferdehufe auf dem harten Boden und das Knirschen des Leders. Langsam leerte sich die Ebene am Fluss. Seqenenre hatte sich wieder hinter Si-Amun festbinden lassen und spürte, wie sich beim Vorwärtskriechen jeder Muskel in ihm anspannte. Er sah, nein, er witterte eher, dass die Sonne aufgehen wollte. Die Luft war muffig und stand, aber ihn fröstelte, ohne dass er hätte sagen können, ob ihm heiß oder kalt war. Gelegentlich schlugen die Hufe Funken aus den kleinen, scharfen Steinen, die überall auf dem Weg zwischen den hochragenden Felsen lagen, die nicht zu sehen waren. Er hörte Hor-Aha einen leisen Befehl geben, und gleich darauf lenkte Si-Amun die Pferde nach rechts.
    Vor Seqenenre lag die Wüste, eine Weite aus hellem, aufgewühltem Sand, die mit einem schwarzen, sternenbesetzten Himmel verschwamm. Er holte tief Luft. Das Dorf Qes, ein Gewirr unbeleuchteter Hütten, lag zu seiner Linken und wich bereits zurück, wie auch die grauen Konturen des kleinen Hathor-Tempels. Seqenenre schluckte. Der Streitwagen ruckte, als die Räder durch den Sand pflügten. Dann fanden die Pferde festeren Tritt unterhalb der Felsen und beschleunigten. Sie zogen wieder in Richtung Norden, die Grenze seines Fürstentums lag hinter ihnen.
    Die Dunkelheit nahm ab. Binnen kurzem konnte Seqenenre die Umrisse der Felsen ausmachen, die gezackt und aufeinander getürmt rechts von ihm dräuten. Die Wüste wellte sich auch nicht mehr gestaltlos, sondern wurde zu Mulden und Dünen, zwar noch immer leblos grau, jedoch mit spinnenartigen Schatten. Mühsam drehte sich Seqenenre um. Hinter ihm zog sein Heer, die Männer trotteten mit gesenktem Kopf

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