Der fremde Pharao
Gleichgewicht verlieren wollte. Er packte den Speer mit seiner guten Hand. Rings um ihn wirbelten die anderen Streitwagen, deren Fahrer versuchten, sie in die beste Position zu bringen, damit die Krieger ihre Pfeile direkt auf den Feind abschießen konnten, und Pezedchus Männer machten es ebenso. Die Fußsoldaten brüllten bereits und hackten mit Äxten und Messern aufeinander ein.
Seqenenre bemerkte einen Mann, der gerade einen Dolch aus dem Bauch eines seiner Medjai zog. Der Soldat keuchte und sah sich nach seinem nächsten Opfer um. Seqenenre hob den Speer und ließ ihn durch die Luft sausen, doch ein kleiner Ruck des Streitwagens, und er verfehlte sein Ziel, er wurde umgeworfen und fiel auf den Boden des Wagens. Fluchend ließ Si-Amun die Zügel los und drehte sich um. Der Soldat rannte auf sie zu, die Axt zum Wurf erhoben. Gelassen zog Si-Amun das Messer aus seinem Gurt, es zischte wie ein glitzernder Bogen und traf den Mann tief in die Brust. Der blickte erstaunt und fiel ganz dicht vor Seqenenres schweißbedecktem Gesicht in den Staub. »Bleib unten liegen, bitte, Vater!«, schrie ihm Si-Amun zu.
Ein Tapferer des Königs hatte den Kampf gesehen. Er sprang auf den Streitwagen, spannte den Bogen, stellte sich mit gespreizten Beinen über den Fürsten und begann, Pfeile in das Getümmel kämpfender Leiber zu schießen. Seqenenre sah zu. Sein Herz machte einen Satz. Es hatte den Anschein, als hielten seine Soldaten an der Nordflanke der Schlacht stand. Ihre Reihen waren noch nicht zurückgewichen. Einige seiner Streitwagen hatten sich vom Feind gelöst, rollten zum Fluss und beschossen den äußeren feindlichen Ring.
Der Feind, dachte Seqenenre bitter. Da sieh ihn dir an! Nur wenige sind Setius, sondern anständige Ägypter bringen anständige Ägypter um. Wie weit haben wir uns doch von der heiligen Maat entfernt! Bei der Hitze und dem Schreck war sein linkes Auge fast zugeschwollen, und das Lid zuckte. Sein Kopf hämmerte. Er hörte die Tapferen des Königs brüllen: »Fürst, an der Südflanke brechen sie durch!«, und einen überglücklichen Augenblick lang glaubte er, dass Pezedchu in Gefahr wäre, doch Si-Amun stöhnte.
Der Streitwagen drehte ab und bewegte sich wieder, rumpelte über Gefallene. Seqenenres Gesichtsfeld veränderte sich. Auf einmal sah er in der Ferne einen Streitwagen, dessen Seiten golden glänzten und dessen Speichen in der glühenden Nachmittagshitze funkelten. Von dem Wagenlenker nahm er keine Notiz, hinter ihm jedoch stand ein hoch gewachsener junger Mann mit den silbernen Armbändern des Befehlshabers, der einen goldenen Reif um sein weißblaues Kopftuch trug. Er zeigte und brüllte. Es war Pezedchu. Rings um sich hatte er seine Tapferen des Königs geschart, und dahinter standen die südlichen Reihen der Verteidiger verbissen standhaft und geordnet.
Seqenenres Soldaten zogen sich vor ihnen zurück, starben, kämpften verzweifelt und deckten dabei den Rückzug durch die Felsspalte. Ihr Mut war rührend anzusehen, und Seqenenre schossen die Zornestränen in die Augen, aber sie waren in der Minderzahl. Verzweifelt suchten seine Augen Kamose und fanden ihn, die Pferde am Boden liegend, wie er hinten auf seinem Streitwagen mit blutbeflecktem Gesicht, Armen und Schurz von Mann zu Mann kämpfte.
Auf einmal wusste Seqenenre, was Si-Amun vorhatte. Er wollte die Schlacht umfahren und durch die Spalte schlüpfen. »Ich verbiete es!«, versuchte Seqenenre zu ihm hochzurufen. »Ich möchte nicht gerettet werden, Si-Amun! Die Schande ertrage ich nicht!« Doch er stellte fest, dass er nur Unzusammenhängendes brabbeln konnte. Bei solchen Anstrengungen gehorchte ihm sein entstellter Mund nicht mehr.
Lange versuchte Si-Amun, an Gruppen von keuchenden, blutigen Männern vorbeizufahren, die wutentbrannt aufeinander einhackten, doch schließlich musste er sich geschlagen geben. Sie waren vollkommen abgeschnitten. Seqenenre konnte ihn fluchen hören, konnte spüren, wie er außer sich nach einem Platz suchte, wo er seinen Vater verstecken konnte, während Seqenenre zusammengekrümmt zwischen den stämmigen Beinen des Soldaten lag, der ihn verteidigte.
Der Streitwagen hielt. Si-Amun hockte sich hin und spähte seinem Vater ins Gesicht. »Langsam drängen sie uns zusammen«, sagte er. Sein Gesicht war schweißüberströmt. »Ich kann dich nicht wegbringen. Wir müssen sterben, Fürst.« Seqenenre nickte. Er versuchte erst gar nicht zu sprechen. Si-Amun beugte sich zu ihm und küsste ihn. »Das ist
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