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Der fremde Tibeter

Titel: Der fremde Tibeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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habe lediglich gezeigt, daß ich auf eine Universität gehöre, daß ich eine Führungspersönlichkeit sei, die schon längst dort hätte sein müssen.«
    »Wer hat Ihnen dazu verhelfen?«
    »Ankläger Jao, das Büro für Religiöse Angelegenheiten, die Öffentliche Sicherheit. Sie alle haben das Papier unterzeichnet.«
    Das sagte nichts darüber aus, wer Jao ermordet hatte oder wer vielleicht erneut versuchte, Yeshe zu manipulieren. Die Bewilligung derartiger Belohnungen ging absolut konform mit den üblichen Praktiken des chinesischen Justizapparats. Vielleicht hatte jemand Yeshe benutzt, weil er wußte, daß der Mönch regelmäßig diese Strecke fuhr. Vielleicht war Yeshes Verwicklung in den Fall auch völlig zufällig erfolgt. Es kam einzig und allein darauf an, daß Yeshe sich als anfällig entpuppt hatte, und gegenwärtig versuchte jemand, ihn auf die gleiche Weise zu beeinflussen. Nicht Zhong. Direktor Zhong war lediglich ein Handlanger, der dabei mithalf, Yeshes Arbeit für ein weiteres Jahr sicherzustellen.
    »Ich habe es vorher gesagt«, merkte Yeshe an, als sei ihm ein nachträglicher Einfall gekommen.
    »Vorher?«
    »Man hat mir die Universität erst lange nach meiner Aussage angeboten.«
    »Ich weiß.«
    »Es hieß, man würde das tun, weil ich mich als guter Bürger erwiesen hätte.« Er flüsterte wieder. »Leider weiß ich nicht mehr, was das bedeutet - ein guter Bürger zu sein«, fügte er unglücklich hinzu.
    Während sie die Sterne beobachteten, schien durch ihr Schweigen der Schmerz zu entweichen.
    »Nach unserem Besuch im Büro für Religiöse Angelegenheiten«, sagte Yeshe, »nachdem Miss Taring gesagt hatte, daß immer noch Artefakte gefunden werden und in den Museen landen, habe ich mich etwas gefragt. Was wäre, wenn jemand noch so einen Rosenkranz wie den von Dilgo gefunden hätte? Was wäre, wenn ich gelogen hätte, ohne es zu wissen?«
    Shan legte Yeshe eine Hand auf den Arm und zog ihn sanft vom Rand der Klippe zurück. »Dann müssen Sie es herausfinden.«
    »Weshalb?«
    »Für Dilgo.«
    Sie setzten sich auf einen Felsblock und ließen sich erneut von der Stille gefangennehmen.
    »Glauben Sie, daß es wahr ist, was man sich erzählt?« fragte Yeshe.
    »Was denn?«
    »Daß Jaos Geist hierbleibt und nach Rache trachtet.«
    »Ich weiß es nicht.« Shan sah hinaus in die Nacht. »Falls meine Seele freikäme«, sagte er langsam, »würde ich niemals zurückblicken.«
    Sie wechselten kein weiteres Wort. Shan hatte keine Ahnung, wie lange sie schon dort saßen. Es konnten zehn Minuten gewesen sein, vielleicht aber auch eine halbe Stunde. Eine Sternschnuppe schoß strahlend über den Himmel. Dann ertönte genauso plötzlich ein lautes Geräusch, ein verzerrtes, gespenstisches Stöhnen und Schreien, wie er es noch nie zuvor gehört hatte. Es kam von irgendwo unter ihnen und schien sich durch die Haut über seiner Wirbelsäule zu bohren. Es war kein menschliches Geräusch.
    Auf einmal krachten drei Pistolenschüsse. Dann herrschte absolute Stille.

Kapitel 10
    Die zwei Soldaten stürzten sich wie im Traum auf ihn, packten ihn im Dunkeln, während er schlief, zerrten ihn aus dem Bett und legten ihm Handschellen an. Wortlos stießen sie ihn in den Wagen. Sie antworteten nicht auf seine ersten beiden Fragen und verabreichten ihm nach der dritten einen heftigen Schlag ins Gesicht. Shan richtete sich mühsam auf, kämpfte gegen den Schmerz an und rief sich ins Gedächtnis, worauf er achten mußte. Die Männer gehörten nicht zur Öffentlichen Sicherheit, sondern zur Infanterie. Soldaten mußten sich viel häufiger an Vorschriften halten. Er saß in einem Personenwagen, nicht in einem Laster. Man würde ihn nicht im Fahrzeug erschießen. Sie fuhren ins Tal hinaus, nicht in die Berge, wo man normalerweise Leute verschwinden ließ. Er lehnte sich gegen die Scheibe und ließ das Glas das Gewicht seines Kopfes tragen, während er beobachtete, wohin sie ihn brachten.
    Es war die Kreuzung unterhalb der Drachenklauen. Oberst Tans Silhouette hob sich gegen den trübgrauen Himmel ab. Die beiden Soldaten zerrten ihn zu Tan, nahmen ihm die Handschellen ab und kehrten zum Wagen zurück, wo sie stehenblieben und sich Zigaretten anzündeten. Einer der Männer murmelte etwas. Der andere lachte.
    »Er hat gesagt, daß du das tun würdest«, sagte Tan. »Zhong hat gesagt, du würdest dich über mich lustig machen und versuchen, mich zu benutzen.«
    »Sie müssen schon etwas genauer werden«, murmelte Shan, der noch

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