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Der fremde Tibeter

Titel: Der fremde Tibeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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vielleicht ein bißchen zu aufmerksam gewesen ist.«
    Tan wollte Feng die Patronen zurückgeben, doch dann überlegte er es sich anders und reichte sie Shan, der sie wiederum an Feng aushändigte. »Kehren Sie an Ihre Aufgabe zurück, Sergeant«, befahl Tan.
    Sergeant Feng nahm die Kugeln verlegen entgegen. »Ich hätte es wissen sollen«, murmelte er. »Einen Dämon kann man nicht erschießen.« Er salutierte vor dem Oberst und machte kehrt.
    Tan schaute abermals der Staubfahne der Kolonne hinterher. »Es bleibt zu wenig Zeit.«
    »Dann helfen Sie mir. Es gibt so viel zu tun. Ich muß noch einmal versuchen, mit Sungpo zu sprechen. Außerdem muß ich Jaos Fahrer finden. Helfen Sie mir. Er ist der Schlüssel zu der ganzen Angelegenheit.«
    »Er hat keine der Schalen angerührt. Nicht ein Reiskorn«, verkündete der Wachposten, als Shan den Zellenblock betrat. Er klang seltsam stolz, als stelle das Hungern seines Gefangenen irgendeinen persönlichen Sieg für ihn dar. »Nichts außer Tee.«
    Sungpo schien sich nicht bewegt zu haben, seit Shan ihn drei Tage zuvor gesehen hatte. Er saß aufrecht und munter da und starrte immer noch in die Ferne.
    »Mein Assistent«, sagte Shan und schaute sich im Arrestlokal um. »Ich dachte, er wäre hier.«
    »Er ist bei dem anderen.«
    »Sie haben einen neuen Gefangenen?«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Der Kerl ist über den Zaun geklettert. Hat mächtig Glück gehabt. Zehn Minuten früher oder später hätte die Streife ihn erwischt und erschossen.«
    »Ein Ausbrecher?«
    »Nein, das ist ja der Witz. Er hat versucht, hier einzudringen. Man mußte ihm beibringen, daß Zivilisten keinen ungehinderten Zutritt zu Militäranlagen haben.«
    Shan fand Yeshe im Nachbargebäude. Er wusch ein Handtuch in einer Schale mit blutig verfärbtem Wasser aus. Shan schaute ihm einen Moment lang zu und bemerkte, daß sich in Yeshes Miene etwas verändert hatte. Der Tibeter wirkte ruhiger. Nicht so, als hätte er Seelenfrieden gefunden, sondern eher, als ginge er nun bedachtsamer zu Werke.
    Shan folgte Yeshe in das Verhörzimmer. Zuerst erkannte er nicht, wer dort am Tisch saß. Das Gesicht des Mannes wirkte auf einer Seite wie eine Melone, die von einem schnell fahrenden Lastwagen gefallen war.
    »Ziemlich gut, was?« sagte der Mann und hob grüßend eine der großen, tatzenartigen Hände. »Er hat nach mir geschickt. Und ich habe ihn gefunden.«
    Es war Jigme.
    »Was soll das heißen, er hat nach Ihnen geschickt?«
    »Sie sind doch zu mir gekommen, nicht wahr?«
    »Wie konnten Sie so schnell hier sein? Sind Sie mit dem Auto gefahren?«
    Irgendwie gelang es Jigme, mit den geschwollenen Augen zu zwinkern. »Ich fliege durch die Luft. Wie die Alten. Der Pfeilzauber.«
    »Ich habe davon gehört«, sagte Shan. »Ich kann mich aber auch daran erinnern, auf der Straße, die aus Ihrem Tal führt, mehrere Lastwagen gesehen zu haben.«
    Jigme wollte lachen, aber das Geräusch glich eher einem heiseren, abgehackten Husten.
    Shan und Yeshe halfen ihm auf die Beine, legten sich jeder einen seiner Arme über die Schultern und beförderten ihn halb zerrend, halb tragend aus dem Gebäude. Auf der Treppe wurden sie von einem wütenden Offizier aufgehalten.
    »Diese Gefangenen unterstehen der Aufsicht der Öffentlichen Sicherheit!« brüllte der Offizier.
    »Dieser Mann ist Teil meiner Ermittlungen«, entgegnete Shan ungerührt und wandte dem Offizier den Rücken zu. Sobald sie den Zellenblock betreten hatten, machte Jigme sich von ihnen los und zog seine Kleidung zurecht. Er humpelte allein den Korridor hinunter und fiel mit einem Aufschrei der Verzückung auf die Knie, als er die letzte Zelle erreichte.
    Der Wachposten an der Zellentür stand protestierend auf. Shan gebot ihm mit einer Geste Einhalt und wies ihn an, die Zelle zu öffnen.
    Sungpo begrüßte Jigme mit einem Nicken, das dessen zerschlagenes Gesicht aufleuchten ließ. Das gompa -Waisenkind schloß die Tür hinter sich und musterte die unberührten Schalen mit Reis. »Jetzt ist alles wieder in Ordnung«, sagte er mit einem dankbaren Lächeln zu Shan.
    »Wir müssen mit ihm sprechen.«
    Jigme schien zu glauben, Shan habe einen vortrefflichen Witz gemacht. »Aber sicher.« Er lächelte. »In zwei Jahren, einem Monat und achtzehn Tagen.«
    »Soviel Zeit bleibt ihm nicht.«
    Jigmes Gesicht verdüsterte sich. Er nahm eine der Reisschalen und ging zurück zu Sungpo. Mit kleinen, liebevollen Gesten begann er, das Stroh von Sungpos Gewand abzustreifen.
    »Wir

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