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Der fremde Tibeter

Titel: Der fremde Tibeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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gibt keine Mauern mehr.«
    »Also kommt sie nicht aus Shigatse.«
    »Unmöglich. Sie wohnt hinten im Laden, aber der Eigentümer sagt, daß sie fast jedes Wochenende nicht da ist. Eine Verkäuferin dürfte wohl kaum genug verdienen, um so häufig dreihundert Kilometer nach Shigatse zu reisen.«
    »Dann lebt ihre Familie in der Nähe«, sagte Shan. Eine Familie von Ausbeinern. In den Bergen. Wo auch Tamdin der Ausbeiner lebte. »Und dort bringt sie auch die Zaubersprüche hin.« Er sah Yeshe erwartungsvoll an.
    Yeshes Gesicht verfinsterte sich. »Nein«, protestierte er schwach.
    »Ihr Zuhause dürfte nicht schwierig zu finden sein«, behauptete Shan. »In Lhadrung besteht eine lebhafte Nachfrage nach dem Tod.«
    Tan reichte ihm mehrere Blätter Papier, die von einer Büroklammer zusammengehalten wurden. »Ich habe sie gefunden«, sagte er mit der Heiterkeit, von der ein Erfolgserlebnis begleitet wird.
    »Wen?«
    »Miss Lihua. Ankläger Jaos Sekretärin. Auf Urlaub in Hongkong. Das Justizministerium hat ihr Hotel ausfindig gemacht. Sie ist zum örtlichen Büro des Ministeriums gegangen und hat das dortige Faxgerät benutzt. Sie gibt an, der stellvertretende Ankläger Li habe sie zum Flughafen gefahren, bevor Jao aufgebrochen ist, um mit der Amerikanerin zu Abend zu essen. Ich kenne sie. Jung, sehr pflichtbewußt. Gutes Gedächtnis für Einzelheiten. Sie hat mir Jaos Terminplan durchgegeben, ebenso die Anrufe am Tag des Mordes. Sie hat alles gefaxt. Niemand hat wegen eines Treffens angerufen.«
    Miss Lihua fühle sich geehrt, dem Oberst behilflich sein zu können, stand auf der ersten Seite geschrieben. Der Tod von Genosse Ankläger Jao habe sie zutiefst bekümmert, und sie biete an, sofort zurückzukehren. Tan hatte das Angebot abgelehnt, vorausgesetzt, sie würde per Fax kooperieren.
    »Wußte sie, wie man den Fahrer ausfindig machen kann?« fragte Shan.
    »Sie hat mir gesagt, wo er wohnt. Und sie hat gesagt, sie sei sich ganz sicher, daß niemand, den Jao kannte, ein Treffen an der Südklaue anberaumt habe.«
    »Wie kann sie das wissen?« entgegnete Shan. »Sie hätte einen entsprechenden Anruf doch gar nicht bemerkt.«
    »Jao war ein spießiger alter Hund. Er hat Anrufe niemals persönlich entgegengenommen. Und alles mußte im voraus geplant werden, oder es konnte nicht stattfinden. Miss Lihua hat über jede einzelne Stunde Buch geführt. Er sei den ganzen Tag im Büro gewesen, hat sie gesagt. Als sie gegangen ist, habe er sein Fluggepäck in den Wagen geladen. Das Büro für Religiöse Angelegenheiten hat wegen eines Komiteetreffens angerufen. Die Justizbehörde aus Lhasa hat sich nach einem überfälligen Bericht erkundigt. Außerdem hat Jao von ihr telefonisch die Bestätigung seiner Flüge einholen lassen. Ansonsten gab es an diesem Tag nur noch das besagte Abendessen.«
    »Es gibt noch andere Orte und Möglichkeiten, um Anrufe zu erhalten.«
    »Wir sind hier nicht in Shanghai. Er hatte kein verdammtes Mobiltelefon. Er hatte auch kein Funkgerät. Er ist an jenem Tag nirgendwo hingegangen. Und er hätte seine Pläne nicht geändert«, fügte Tan hinzu. »Er hätte es nicht riskiert, den Flug in seinen Jahresurlaub zu verpassen, nur weil irgendein Mönch ihm eine Nachricht übermittelt hat.«
    »Genau. Und daher muß es jemand gewesen sein, den er kannte«, erwiderte Shan.
    »Nein. Daher muß man ihn auf dem Weg zum Flughafen überfallen und dann zurück zur Klaue gefahren haben.«
    »Der Weg zum Flughafen.. ist das eine Militärstraße?«
    »Selbstverständlich.«
    »Also kommen Transportkolonnen auf diesem Weg in das Tal. Fahren die auch nachts?«
    Tan nickte langsam. »Immer wenn Vorräte oder Personen vom Flughafen hergebracht werden sollen. Und die Flüge treffen am späten Nachmittag ein.«
    »Dann überprüfen Sie, ob irgendein Militärfahrer auf dem Rückweg eine Limousine bemerkt hat. Es gibt in Lhadrung nicht allzu viele Limousinen. Der Wagen wäre aufgefallen.«
    Unterdessen musterte Shan die verschiedenen Faxe. Madame Ko hatte Ankläger Jaos Reiseroute hinzugefügt, die ihr direkt von der Fluglinie übermittelt worden war. »Wieso war für ihn ein Tag Aufenthalt in Peking vorgesehen? Warum ist er nicht nonstop geflogen?«
    »Einkäufe. Die Familie. Es sind alle möglichen Gründe denkbar.«
    Shan setzte sich und starrte zu Boden. »Ich muß nach Lhasa.«
    Tans Miene verzog sich mürrisch. »Es gibt keine Verbindung mit Lhasa. Falls du auch nur eine Sekunde daran denkst, ich würde die auswärtigen

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