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Der fremde Tibeter

Titel: Der fremde Tibeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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Lhadrung ist noch übrig. Fehlt nur noch ein Mord, den man ihm in die Schuhe schieben kann. Und falls noch eine hochgestellte Persönlichkeit ermordet wird, rücken die Kriecher dauerhaft hier ein. Kriegsrecht. Lhadrung würde um dreißig Jahre zurückgeworfen.«
    »Eine hochgestellte Persönlichkeit?«
    »Es stand noch ein weiterer Name in dem Buch«, sagte Shan. »Aufgeführt wegen der Auslöschung von achtzig gompas. Hat außerdem zehn Chorten zerstört, um eine Raketenbasis zu errichten. Verantwortlich für das Verschwinden einer Wagenladung khampa-Rebellen, die ins lao gai transportiert werden sollten. Im April 1963.
    Es handelt sich um die einzige andere Person aus dem Lotusbuch, die sich derzeit in Lhadrung befindet und noch am Leben ist. Ein Mann, der beaufsichtigt hat, wie weitere fünfzehn gompas niedergebrannt wurden. Zweihundert Mönche sind in den brennenden Gebäuden umgekommen«, zählte Shan mit eisiger Stimme auf. Er riß das Blatt, auf dem er diesen Eintrag festgehalten hatte, aus seinem Notizblock und legte es vor Tan auf den Tisch. »Es ist Ihr Name.«

Kapitel 14
    Draußen stand Sergeant Feng nervös zwischen zwei Kriechern.
    »Genosse Shan!« rief Li Aidang aus einer dunkelgrauen Limousine, die gegenüber dem Restaurant geparkt war. Der stellvertretende Ankläger öffnete die Tür und bedeutete Shan, er möge einsteigen. »Ich dachte, wir könnten vielleicht ein wenig plaudern. Sie wissen schon. Kollegen, die an demselben Fall arbeiten.«
    »Sie sind also heil wieder zurückgekommen. Kham ist ja eine unberechenbare Gegend«, merkte Shan trocken an. Er zögerte, weil ihm die Unsicherheit in Fengs Blick auffiel. Dann nahm er neben Li auf der Rückbank Platz.
    »Wissen Sie, wir haben ihn gefunden«, behauptete Li.
    Shan zwang sich, nicht nach dem Köder zu schnappen.
    »Genaugenommen haben wir einen Klan im Tal davon überzeugt, uns zu verraten, wo sein Lager sich befindet.«
    »Überzeugt?«
    »Ging ganz einfach«, sagte der stellvertretende Ankläger selbstgefällig. »Ein Helikopter, eine Uniform. Einige der Alten haben nur gewinselt. Wir fanden heraus, wo wir nachschauen mußten, aber als wir dort ankamen, waren die Leute verschwunden. Die Asche des Feuers war noch warm. Ansonsten war keine Spur von ihnen zu entdecken.« Li musterte Shan. »Als habe man sie gewarnt.«
    Shan zuckte die Achseln. »Das ist mir bei Nomaden schon öfter aufgefallen. Diese Leute neigen dazu, ihren Standort zu wechseln.«
    Einer der Kriecher schlug die Tür zu, setzte sich hinter das Steuer und ließ den Motor an. Als sie wegfuhren, drehte Shan sich um und sah, daß der andere Soldat sich vor die Fahrertür ihres Wagens stellte und Sergeant Feng den Weg versperrte.
    Ein dunkle Gestalt auf dem Vordersitz wandte sich um und sah Shan wortlos an.
    »Sie erinnern sich bestimmt noch an den Major«, sagte Li.
    »Major Yang, wenn ich recht unterrichtet bin«, stellte Shan fest. »Held der Öffentlichen Sicherheit.«
    »Genau«, bestätigte Li knapp.
    Der Offizier zog einen Mundwinkel hoch, was wohl als Gruß gemeint war, und drehte sich dann wieder nach vorn.
    Mit hoher Geschwindigkeit verließen sie die Stadt. Immer wieder ertönte die Hupe, um Fußgänger zu verscheuchen oder andere Fahrzeuge zum Ausweichen zu veranlassen, sobald diese es wagten, der Limousine in die Quere zu kommen.
    Zehn Minuten später erreichten sie einen immergrünen Wald in einem kleinen Tal, knapp fünf Kilometer von der Hauptstraße entfernt. Nachdem sie die Ruinen einer alten mani-Mauer passiert hatten, wirkten die Bäume plötzlich sehr viel ordentlicher. Das war das Werk eines Gärtners. Am Straßenrand blühten Frühlingsblumen neben einem geharkten Kiesweg.
    Sie kamen an einer weiteren Mauer vorbei, die wesentlich höher als die erste war, und fuhren auf den Hof eines sehr alten gompa. Am anderen Ende des Hfs, den man frisch gepflastert hatte, erhob sich ein Turm aus Steinen und grauen Ziegeln und davor ein kleiner Chorten von etwa doppelter Mannshöhe. Die Mauern waren neu verputzt und zum Teil auch schon neu bemalt worden. Entlang der gegenüberliegenden Wand standen mehrere Statuen, einige davon mit Gold überzogen, die Buddha und andere religiöse Figuren darstellten. Sie bildeten eine unordentliche Reihe; manche schauten zur Wand, andere neigten sich zur Seite und wieder andere hatte man aneinandergelehnt. Shan hatte das Gefühl, er würde eine wohlhabende, etwas verwahrloste Villa besuchen. Als sie aus dem Wagen stiegen, schwebte der

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