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Der fremde Tibeter

Titel: Der fremde Tibeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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»Während Sie über die Drachenklauen geschlendert sind, ist Ihnen plötzlich etwas eingefallen.« Sie fuhr sich mit den Fingern durch das kastanienbraune Haar und blickte auf, ohne auf eine Antwort zu warten. »Ich habe seine Hand nach dort oben mitgenommen. Die Hand Ihres Dämons. Die Leute wollten, daß ich zusammen mit ihnen Mantras aufsagte. Oben auf dem Berg hat irgend etwas zu heulen angefangen.«
    »Irgend etwas?«
    Sie schien ihn nicht zu hören. »Die Sonne ist untergegangen«, erzählte sie mit gehetzter Miene. »Man hat Fackeln angezündet und mit dem Mantra weitergemacht. Der Mond ging auf. Das Heulen fing an. Ein Tier. Kein Tier. Ich weiß nicht.« Sie schlug die Hände vor das Gesicht. »Ich habe seitdem nicht viel geschlafen. Es war alles so... ich weiß nicht. So real.« Sie sah ihn entschuldigend an. »Tut mir leid. Ich kann es nicht beschreiben.«
    »Letztes Jahr war ein Mann aus Shanghai in meiner Hitte«, erzählte Shan ruhig. »Anfangs hat er über die Mönche gespottet. Aber später sagte er, daß er sich nachts manchmal die Hand vor den Mund hielt, wenn er die Mantras hörte, weil er Angst hatte, seine Seele würde entweichen.«
    Die Amerikanerin schenkte ihm ein schwaches, dankbares Lächeln.
    »Ich muß mir einige Karten ansehen. Satellitenkarten.«
    Sie zuckte zusammen. »Als die Öffentliche Sicherheit mir die Satellitenlizenz erteilt hat, mußten wir schriftlich niederlegen, wer Zugang zu den Unterlagen erhält. Es gibt nur acht befugte Personen. Die Software führt Buch über jeden Ausdruck. Der Major war ziemlich hartnäckig. Auf diese Weise kann man sichergehen, daß wir uns nichts anschauen, was nicht für unsere Augen bestimmt ist.« Sie gab sich zurückhaltend und wirkte plötzlich argwöhnisch. Shans Bitte schien sie erschreckt zu haben.
    »Deshalb bin ich zu Ihnen gekommen.«
    Sie seufzte, sagte jedoch nichts.
    »Ich brauche die Abschnitte, auf denen die Südklaue zu sehen ist. Zu verschiedenen Zeitpunkten, auf jeden Fall aber einschließlich des Tags von Jaos Ermordung sowie einen Monat davor.«
    »Ich hätte schon vor einer Stunde bei den hinteren Teichen sein sollen.«
    »Ich brauche Ihre Hilfe.«
    »In drei Tagen treffen die Touristen in Lhadrung ein. Mein monatlicher Bericht ist bereits seit einer Woche überfällig. Aus Kalifornien sind Faxe gekommen; man will wissen, ob wir das Problem mit der Betriebserlaubnis gelöst haben. Ich habe einen Job zu erledigen. Meine Aktionäre vertrauen darauf. Das Ministerium für Geologie vertraut darauf. Peking vertraut darauf. Die neunzig Familien, deren Existenz von dieser Mine abhängt, vertrauen darauf.« Sie stand auf und nahm den Schutzhelm, der auf ihrem Tisch lag. »Sie, Mr. Shan, sind der einzige, der keinen gesteigerten Wert darauf legt.«
    »Ich dachte, das wäre eine ganz einfache Bitte.«
    »Nun, das ist es nicht. Ich habe es Ihnen erklärt. Irgendwie glaube ich, daß Ihre Bitten nie >ganz einfach< sind.«
    »Ich glaube, daß Jao zur Südklaue gelockt und ermordet wurde, weil jemand auf einer Ihrer Karten etwas entdeckt hat.«
    »Wer hat etwas entdeckt? Jao?«
    »Vielleicht. Oder der Mörder. Oder beide.«
    »Lächerlich. Wir sind die einzigen, die diese Karten zu sehen bekommen.«
    »Sie haben von acht Leuten gesprochen. Bei einer solch großen Anzahl lassen Geheimnisse sich womöglich nur schwer bewahren.«
    »Falls Sie glauben, ich würde die halbe Öffentliche Sicherheit dazu einladen, unseren Laden hier wegen einer Verletzung der Sicherheitsauflagen auseinanderzunehmen, sind Sie verrückt.« Sie machte einen Schritt auf die Tür zu. »Ich dachte, Sie und ich, wir wären..« Sie schüttelte den Kopf und seufzte. »Als wir die Satellitenlizenz bekommen haben, sagte Kincaid, Oberst Tan würde vielleicht versuchen, uns zu einer Preisgabe der Karten zu bewegen.«
    »Weshalb sollte Oberst Tan so etwas tun?«
    »Um uns bei einer Sicherheitsverletzung zu erwischen und diese dann gegen uns zu verwenden.«
    »Glauben Sie, daß ich versuche, Sie zu hintergehen?«
    Fowler seufzte. »Nein, Sie nicht. Aber was ist, falls auch Sie nur benutzt werden?« Sie machte einen weiteren Schritt auf die Tür zu. »Besorgen Sie sich eine schriftliche Genehmigung.«
    »Nein.«
    Sie blickte über ihre Schulter zurück.
    »Ansonsten würden Sie sich eines Sicherheitsvergehens schuldig machen«, stellte sie fest.
    Langsam schüttelte sie den Kopf und ging noch ein Stück auf die Tür zu.
    »Ich habe früher einen Priester gekannt. Als ich noch in

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