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Der fremde Tibeter

Titel: Der fremde Tibeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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einer Reisegruppe nach Lhasa gekommen, hat sich auf eigene Faust auf den Weg gemacht und ist unerlaubt nach Lhadrung gereist. Die Regierung kann für die Sicherheit einer solchen Person auf gar keinen Fall verantwortlich gemacht werden.«
    Tan dachte über Shans Worte nach. »Jemand könnte diese Angaben nachprüfen wollen.«
    Shan schüttelte den Kopf. »In den letzten drei Wochen sind zwei Gruppen aus Taiwan in Lhasa zu Besuch gewesen. Der Bericht des Chinesischen Reisedienstes liegt bei. Falls Sie noch drei Tage mit der Überprüfung warten, werden die Gruppen sämtlich wieder zu Hause sein. Offiziell kann in Taiwan überhaupt nichts nachgeprüft werden. Die Öffentliche Sicherheit weiß sehr gut, daß derartige Gruppen oftmals für illegale Zwecke genutzt werden.«
    Auf Tans Gesicht erschien das messerscharfe Lächeln. »Vielleicht habe ich dich zu vorschnell beurteilt.«
    »Das wird ausreichen, um eine vollständige Akte anzulegen«, erklärte Shan. »Nachdem die Kontrolleure wieder abgereist sind, wird Ihr Ankläger wissen, was zu tun ist.« Noch während er redete, erinnerte er sich daran, daß Tan noch einen weiteren Grund hatte, den Fall so schnell wie möglich abzuschließen. Bevor der Oberst auf die Kontrollgruppe zu sprechen kam, hatte er Amerikaner erwähnt, die zu einem Besuch hierher unterwegs seien.
    »Was wird denn noch zu tun sein?«
    »Die ganze Sache muß in eine Morduntersuchung umgewandelt werden.«
    Tan verzog das Gesicht, als hätte er etwas Bitteres gegessen. »Es war immerhin nur ein taiwanesischer Tourist. Wir sollten uns vor einer Überreaktion hüten.«
    Shan hob den Kopf und sprach zu dem Foto von Mao. »Ich habe gesagt, dies sei ein perfektes Szenario. Verwechseln Sie es nicht mit der Wahrheit.«
    »Der Wahrheit, Genosse?« fragte Tan mit einem Anflug von Ungläubigkeit.
    »Schließlich müssen Sie sich am Ende immer noch auf die Suche nach einem Mörder machen.«
    »Darüber werden der Ankläger und ich zu gegebener Zeit entscheiden.«
    »Nicht unbedingt.«
    Tan hob fragend eine Augenbraue.
    »Sie können eine Akte anlegen, mit der sich die Angelegenheit ein paar Wochen verzögern läßt. Vielleicht können Sie die Berichte sogar ohne die notwendigen Unterschriften abschicken. Die Papiere werden womöglich einige Monate auf irgendeinem Tisch verstauben, bis jemand das Versäumnis bemerkt.«
    »Und warum sollte ich so nachlässig sein, die Akte ohne Unterschriften zu verschicken?«
    »Weil der Unfallbericht letzten Endes von der Ärztin unterschrieben werden muß, die die Autopsie durchgeführt hat.«
    »Dr. Sung«, sagte Tan leise und mürrisch, als würde er ein Selbstgespräch führen.
    »Der medizinische Bericht war ziemlich gründlich. Die Ärztin hat bemerkt, daß der Kopf fehlt.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Auch die Ärztin hat Vorgesetzte, denen sie Bericht erstattet und die wiederum selbst Rechenschaft ablegen. Ohne den Kopf wage ich zu bezweifeln, daß der medizinische Offizier Ihren Unfallbericht abzeichnen wird. Und ohne den Bericht wird das Ministerium die Angelegenheit schließlich untersuchen und als Mordfall einstufen.«
    Tan zuckte die Achseln. »Ankläger Jao wird bald zurück sein.«
    »Aber unterdessen läuft ein Mörder frei herum. Ihr Ankläger sollte die Zusammenhänge bedenken.«
    »Zusammenhänge?«
    »Zum Beispiel, daß der Mann von jemandem ermordet wurde, den er kannte.«
    Tan zündete sich eine seiner amerikanischen Zigaretten an. »Das kann man gar nicht mit Gewißheit sagen.«
    »Die Leiche wies keinerlei Spuren auf. Keine Anzeichen für einen Kampf. Er hat eine Zigarette mit jemandem geraucht. Er ist freiwillig den Abhang hochgeklettert. Seine Schuhe waren sauber.«
    »Seine Schuhe?«
    »Falls man ihn über den Boden geschleift hätte, wären sie staubig und zerkratzt gewesen. Falls man ihn getragen hätte, würden sich im Profil seiner Sohlen keine Felssplitter finden. Die Splitter sind im Autopsiebericht vermerkt.«
    »Also hat ein Dieb sich einen Touristen geschnappt und ihn mit vorgehaltener Waffe den Hang hinaufgezwungen.«
    »Nein. Er wurde nicht ausgeraubt - ein Dieb hätte wohl kaum zweihundert amerikanische Dollar übersehen. Und er ist auch nicht aus irgendeiner Laune heraus zur Südklaue gefahren oder weil ihn ein Unbekannter darum gebeten hat.«
    »Also war es jemand, den er kannte«, räumte Tan ein. »Aber dann wäre es eine örtliche Angelegenheit. Und es wird niemand vermißt.«
    »Vielleicht stammte der Mörder nicht direkt von

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