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Der freundliche Mr Crippen | Roman

Der freundliche Mr Crippen | Roman

Titel: Der freundliche Mr Crippen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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sie, wie soll ich es sagen, gleich eine Reihe von Pseudonymen hatte.«
    »Ach ja?«, sagte Dew und hob eine Braue. »Und warum? War sie Schriftstellerin?«
    »Nein, ganz sicher nicht«, sagte Hawley mit einem Lachen. »Sie war Künstlerin. Eine Music-Hall-Sängerin, und in der Welt der Bühne nannte sie sich Bella Elmore. Also hat sie den Namen vielleicht auch in Kalifornien verwendet. Oder ihren Mädchennamen: Cora Turner. Wobei es auch absolut möglich ist, dass sie in ihrem Pass Kunigunde Mackamotzki hieß.«
    »Wie bitte?«
    »Kunigunde Mackamotzki«, wiederholte er. »Das ist ihr Geburtsname. Sie war russisch-polnischer Herkunft, verstehen Sie? Den Namen Cora Turner hat sie angenommen, als sie etwa sechzehn war, weil sie das Gefühl hatte, ein so fremdartiger Name würde ihre Chancen im Leben mindern. Vielleicht hatte sie recht. Ich weiß es nicht. Aber es ist absolut möglich, dass das der Name in ihrem Pass war, denn er muss ja auch in ihrer Geburtsurkunde gestanden haben. Unglücklicherweise habe ich ihren Pass nie selbst in der Hand gehabt, also kann ich nicht sicher sein. Aber Sie sehen schon, sie hätte jeden dieser Namen drüben verwenden können, und um die Wahrheit zu sagen, ist Cora Crippen meines Erachtens der am wenigsten wahrscheinliche.«
    Dew nickte und schloss sein Notizbuch. »Ich glaube, das war der einzige Name, nach dem sie gesucht haben«, sagte er und war mit Hawleys Antwort zufrieden. »Ich glaube, das reicht, und so verlasse ich Sie denn auch schon wieder. Es tut mir leid, dass ich Sie stören und Ihnen so persönliche Fragen stellen musste. Ich bin sicher, Sie sind noch in Trauer um Mrs Crippen.«
    »Sie haben mich nicht gestört, Inspector«, sagte Hawley und ging nicht weiter auf Walter Dews letzten Satz ein.
    »Und mein herzliches Beileid natürlich, zum Tod Ihrer Frau.«
    Hawley bedankte sich mit einem Händeschütteln. »Danke«, sagte er. »Aber darf ich Sie etwas fragen?« Dew nickte. »Was ist der Grund, dass Sie hergekommen sind, um mir solche Fragen zu stellen? Wie hat Scotland Yard von Coras Tod erfahren?«
    »Ich fürchte, das kann ich Ihnen nicht näher erläutern, Doktor«, antwortete er. »Ich kann nur sagen, dass sich gewisse Herrschaften Sorgen gemacht haben, Mrs Crippen könnte etwas zugestoßen sein. Seien Sie jedoch versichert, dass ich heute noch mit den Betreffenden sprechen werde. Ich bezweifle, dass wir der Sache weiter nachgehen.«
    Sie gingen zur Tür, und Hawley öffnete sie, verblüfft, dass es so einfach gewesen war.
    »Nur noch eine letzte Sache, bevor ich gehe«, sagte Dew.
    »Inspector?«
    »Das Telegramm.«
    Hawley starrte ihn an. »Entschuldigen Sie?«
    »Das Telegramm von den kalifornischen Behörden, mit dem Sie über den Tod Ihrer armen Frau unterrichtet wurden. Ich muss es für die Akte mitnehmen, um zu beweisen, dass da keine Tricks angewandt wurden. Sie verstehen.«
    »Das Telegramm«, wiederholte Hawley, und er wurde ein wenig blasser, benetzte sich die Lippen und überlegte. »Ich bin nicht sicher, ob …«
    »Oh, kommen Sie, Dr. Crippen«, sagte Inspector Dew in freundlichem Ton. »Ich kann ja verstehen, dass Sie das Telegramm Ihrer Frau aus New York nicht mehr haben, in dem sie Ihnen ihre sichere Ankunft mitteilt, aber so ein wichtiges Dokument wie die Todesnachricht würden Sie doch nicht wegwerfen.«
    »Ja«, sagte er. »Ich nehme an, da haben Sie recht.«
    »Wenn Sie es mir dann bitte holen würden«, sagte Dew und schloss die Tür noch einmal, sodass sie erneut in der Finsternis der Diele standen. Zum ersten Mal wurde Dew bewusst, dass dieser Mann vielleicht doch etwas zu verbergen hatte. So standen sie einen Moment lang da, bis Hawley den Blick vom Teppich hob und dem Inspector in die Augen sah.
    »Ich glaube«, sagte er langsam. »Ich sage Ihnen wohl besser die Wahrheit.«
    »Ja, Doktor«, antwortete Dew, den ein Schauer der Überraschung durchrieselte. »Das tun Sie wohl besser.«
    »Sie haben mich bei einer Lüge ertappt, wissen Sie?«
    »Vielleicht sollten wir noch einmal hineingehen«, schlug Dew vor, der jetzt doch langsam Interesse an dem Fall entwickelte. Hatte er ihr tatsächlich etwas angetan? Würde es zu einem plötzlichen, unerwarteten Geständnis kommen?
    Sie gingen zurück ins Wohnzimmer und setzten sich. Hawley hatte seine Geschichte nie bis zu diesem Punkt durchdacht, doch als er jetzt dort saß, kam ihm ein Gedanke, und er ging, bevor er etwas sagte, die möglichen damit verbundenen Verwicklungen in seinem Kopf durch,

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