Der freundliche Mr Crippen | Roman
es sich trifft«, sagte Dew und wandte nach einem Moment den Kopf, um den jungen PC von seinen Plänen zu unterrichten, was er für gewöhnlich niemals tat, »habe ich vor, heute Abend mit ein paar engen Freunden essen zu gehen. Einem Dr. Crippen und seiner Freundin. Ich dachte, da ist es nur angebracht, sich etwas zu bemühen. Nehmen Sie sich ein Beispiel, Milburn, für den Fall, dass Sie und ihre junge Freundin einmal irgendwo eingeladen werden sollten.«
Dew war überrascht, dass er Milburn all das sagte, doch das war nichts im Vergleich dazu, wie Milburn staunte. Der Inspector hatte sich ihm gegenüber noch nie so gesprächig gezeigt. Vielleicht, überlegte er, denkt er daran, mich für eine Beförderung vorzuschlagen? Das wäre eine willkommene Überraschung. »Dr. Crippen?«, fragte er und zog die Nase beim Nachdenken kraus. »Der Name kommt mir bekannt vor, Sir. Wo habe ich ihn schon gehört?«
»Nirgends, sollte ich meinen«, sagte Dew, der seinen neuen Freund nicht mit einem einfachen Constable gemeinmachen wollte.
»Doch, jetzt erinnere ich mich«, sagte der PC , der sich an die Besuche von Mrs Smythson erinnerte. »Das ist der, von dem diese Mrs Soundso sagte, er hat seine Frau umgebracht.«
»Ach, machen Sie sich nicht lächerlich, Milburn. Der Mann ist ein absoluter Gentleman. Er hat seine Frau nicht umgebracht, das kann ich Ihnen versichern.«
»Aber die Lady …«
»Die
Lady,
wenn das denn tatsächlich ein Begriff ist, den wir für diese Art Frau benutzen können, kam mit einer fadenscheinigen Anschuldigung, die sich als völlig haltlos erwiesen hat. Ich bin mit dem Doktor persönlich bekannt und kann Ihnen versichern, dass er ein Mann von höchstem Format ist.«
»Ah ja?«, fragte Milburn argwöhnisch. »Und wie geht es seiner Frau? Lebt sie noch?«
»Sie lebt noch, und zwar höchst angenehm in Amerika, in Florida, um genau zu sein. Das Ganze war ein Irrtum von Seiten dieser Mrs Smythson, und die Akte wurde geschlossen.«
»Ich bin froh, das zu hören, Sir«, sagte Milburn mit einem breiten Grinsen, als sich Dew umdrehte, um zu gehen. »Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend, Sir.«
Inspector Dew hob grüßend die Hand, ging hinaus und sog die frische Luft in sich hinein, von Glück und Vorfreude auf den vor ihm liegenden Abend erfüllt. Es war Mitte Juni und in den Straßen noch ziemlich hell. Er kam an einem Park vorbei und sah eine Gruppe Männer auf dem Rasen Kricket spielen. Ihre froh gelaunten Stimmen wehten zu ihm herüber, und er verspürte eine ungewohnte Lebensfreude, eine Woge der Begeisterung für seine Mitmenschen, den Wunsch zu lieben und von allen geliebt zu werden. Solche Gefühle waren ihm eigentlich fremd, und er schwelgte in seiner neuen Verfassung. Auf dem Weg an der Themse entlang empfand er den untypischen Drang, auf eine leere Bank zu springen und laut loszusingen, doch er hielt sich zurück, weil er nicht in eine Anstalt eingeliefert werden wollte, noch bevor er die Brücke erreichte.
Gänzlich ungezwungen schlenderte er dahin, warf einem Obdachlosen, der an der Ecke zum Morning Crescent campierte, einen Penny hin und tippte sich mit zwei Fingern an den Hut, als ihm ein paar Ladys entgegenkamen. Sein Magen knurrte ein wenig, und er hoffte erneut, dass er zum Essen eingeladen würde. Er hatte sich entschieden, Dr. Crippen nicht nach weiteren Informationen über den Mann zu befragen, der ihm Hörner aufgesetzt hatte. Was Dew anging, konnten diese Cora und ihr Geliebter für den Rest ihres Lebens in Florida bleiben, ihn ging das alles nichts an. Er würde Hawley gleich bei der Ankunft sagen, dass der Fall abgeschlossen sei und er weder den Namen noch die Adresse brauche. Worauf sie ihm ihre Gesellschaft und Freundschaft sicher nicht vorenthalten würden. »Sie müssen sich nie wieder an den Namen Cora Crippen erinnern«, würde er sagen. Er fühlte sich wie ein Mann, der einem anderen die beste Nachricht seines Lebens überbrachte und wusste, dass er dafür auf die eine oder andere Weise belohnt werden würde. Als er Police Constable Milburn erklärt hatte, die Akte sei geschlossen, hatte er es ernst gemeint.
An diesem Abend waren wieder überall auf dem Hilldrop Crescent Kinder zu sehen, doch diesmal spielten sie friedlich miteinander und quälten keine Tiere. Der Anblick freute ihn. Missratene Kinder disziplinieren zu müssen, wäre das Letzte gewesen, was er heute gebraucht hätte. »Guten Abend«, sagte er zu ihnen, und sie sahen ihn ungläubig an, denn es
Weitere Kostenlose Bücher