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Der freundliche Mr Crippen | Roman

Der freundliche Mr Crippen | Roman

Titel: Der freundliche Mr Crippen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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auseinandergenommen. Sie hatten fast alle Steinplatten des Kellerbodens aufgehoben und mehr und mehr Pakete entdeckt. Das grausige Puzzle wurde in der Leichenhalle des örtlichen Krankenhauses zusammengetragen, innerhalb weniger Tage lagen mehr als zweihundert Teile auf den Tischen ausgebreitet, damit die Ärzte und Polizisten sie untersuchen konnten.
    »Es ist eine schmutzige Arbeit«, erklärte Dr. Lewis, der Chefpathologe, als Dew nach unten kam, um sich die grausige Sache selbst anzusehen. »Wenn er wirklich ein ausgebildeter Arzt ist, sollte man meinen, dass er ein besseres Verständnis des menschlichen Körpers hätte. Einige der Teile sind an den schwierigsten Stellen abgetrennt worden. Wie von einem Grünschnabel, der zum ersten Mal ein Hähnchen zerlegt. Wobei Mrs Crippen eindeutig tot war, als er sich ans Zerteilen gemacht hat, was als ein Segen betrachtet werden muss. Es war nicht leicht, alles wieder richtig zusammenzusetzen, so viel Spaß es mir auch gemacht hat, wenn Sie die Wahrheit wissen wollen. Hat mich sehr an meine Zeit an der Uni erinnert. Mein Gott, was für Streiche wir uns da haben einfallen lassen. Einmal haben mein Freund Angus und ich …«
    »Das scheint mir kaum die Situation für Scherze zu sein, Doktor«, ermahnte Dew ihn, der nicht in der Stimmung war, sich Geschichten über Studentenspäße anzuhören.
    »Jaja. Obwohl ich zugeben muss, dass ich einige von meinen Studenten hergeholt habe, damit sie sich das ansehen, und auch ein paar von den Kollegen. Ich habe gehört, der Mann hat in einem Schlachthof gearbeitet, ist das richtig?«
    »Ich weiß nur, was auch Sie in der Zeitung gelesen haben«, antwortete Dew. »Mehr nicht.«
    »Nun, es überrascht mich, das ist alles. Ob Sie es glauben oder nicht, ein Schlachthof ist ein ausgezeichneter Ort, um die Kunst des Sezierens zu erlernen. Einige von den Leuten dort könnten sich in der Harley Street niederlassen, wenn sie es wollten.«
    »Wahrscheinlich war er nervös. Das würde die mangelnde Genauigkeit erklären.«
    »Das nehme ich an.«
    »Haben Sie sie wieder zusammengesetzt?«
    »Fast vollständig.«
    »Fast?«
    Lewis sah ihn verwirrt an. »Sie wissen doch, dass man den Kopf noch nicht gefunden hat, oder?«, fragte er.
    Der Kopf. Während der letzten paar Wochen war es für die Londoner Zeitungen zu so etwas wie einer Obsession geworden, Licht in den Verbleib von Cora Crippens Kopf zu bringen. Nur er war im Keller von 39  Hilldrop Crescent nicht zu finden gewesen und so zum letzten fehlenden Puzzleteil geworden, das benötigt wurde, bevor ihre Überreste in einen Sarg gegeben und begraben werden konnten. Jedes einzelne Straßenkind Londons durchsuchte Mülleimer und Gullys nach ihm, und entlang der Themse standen Männer und behielten Wasser und Ufer im Blick, für den Fall, dass der Kopf irgendwo angeschwemmt wurde. Das Gerücht ging, der
Express
würde demjenigen, ob Mann, Frau oder Kind, hundert Pfund zahlen, der den Kopf fand und ihn in der Redaktion ablieferte. Offenbar hatte sich daraufhin eine Gruppe Cockney-Salomes gleich auf die Pirsch begeben.
     
    »Ich habe den ganzen Tag über mein Riechsalz bei mir«, sagte Mrs Louise Smythson zu ihrem Ehemann Nicholas und den Nashs, als sie Tage später im Savoy saßen und ihren Tee einnahmen. »Jedes Mal, wenn ich daran denke, werde ich ganz schwach. Wie wir da in dem Haus gesessen und gegessen haben! Er hätte uns alle umbringen können.«
    »Louise, bitte!«, bettelte Mrs Nash.
    »Ich muss immer überlegen, was er uns wohl ins Essen getan hat«, sagte Nicholas Smythson. »Meint ihr, es war vielleicht ein langsam wirkendes Gift, und wir alle wachen eines Morgens als Tote auf?«
    »O Nicholas!«
    »Nun, es ist schwer, nicht auf einen solchen Gedanken zu kommen«, protestierte er. »Was, wenn er noch andere Leute umgebracht und irgendwo vergraben hat? Was, wenn er aus ihren Knochen Suppe gekocht hat? Was, wenn er genau das mit uns allen vorhatte?«
    »Smythson-Cremesuppe«, sagte Andrew Nash todernst, »nicht für mich, danke. Ich bleibe lieber bei Consommé.«
    »Mir wird schlecht«, sagte Louise. »Nicholas, wenn du nicht sofort mit diesen Reden aufhörst, muss ich spucken.«
    »Meine Liebe«, sagte Margaret, beugte sich vor und tätschelte ihr die Hand. »Die Belastung muss schrecklich für dich gewesen sein. Und all diese fürchterlichen Reporter.«
    »Die sind eine Plage«, gab sie entzückt zu. »Jedes Mal, wenn ich die Tür öffne, steht ein anderer davor.«
    »Hast du

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