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Der freundliche Mr Crippen | Roman

Der freundliche Mr Crippen | Roman

Titel: Der freundliche Mr Crippen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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in drei Teile zerbrochen war. Er schaffte sie zur Seite und betrachtete das, was darunter zum Vorschein kam. Es stank fürchterlich, sah aber völlig normal aus. Es war eine schwere braune, erdige Masse, die, wie er annahm, auf dem Betonfundament verteilt worden war, um den Boden darauf zu verlegen. Er fuhr mit der Schuhspitze hinein und erwartete, auf harten Widerstand zu treffen, stieß stattdessen aber auf etwas Weiches, Nasses, das ein schmatzendes Geräusch von sich gab, auf etwas, das
unnatürlich
klang, und er fuhr zurück und sah sich entsetzt im Keller um. Dann atmete er tief ein, hielt die Luft an, kniete sich auf den Boden und schob mit den Händen vorsichtig etwas von der erdigen Masse zur Seite. Darunter kamen ein paar dick mit Zeitung umwickelte und mit Bindfaden verschnürte Pakete zum Vorschein. Sie stanken bestialisch, und sein Mund verzog sich angeekelt, aber nachdem er schon so weit war, konnte er jetzt nicht aufhören. Sein Magen wand sich, und er zog eines der Pakete heraus. Es löste sich problemlos, und er legte es ein Stück entfernt auf den Boden. Mit seinem Taschenmesser durchschnitt er den Bindfaden, ergriff das Zeitungspapier und öffnete es langsam.
    Zum Vorschein kam ein Stück menschliches Gewebe, mit Knochen und geronnenem Blut, sorgsam zerlegt und ordentlich in dickes Papier gepackt, aus dem eine zähe schwärzliche Flüssigkeit zu rinnen begann. Seitlich schien ein Daumen zu erkennen zu sein. Es war ein sehr ordentlich verpacktes Paket und enthielt wie alle anderen verschiedene Teile eines menschlichen Kadavers, der bereits zu verwesen begann.

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    15  Die Jagd
    Atlantischer Ozean: Sonntag, 24 . Juli, bis Dienstag, 26 . Juli 1910
    Kapitän Taylor saß mit Inspector Dew im Funkraum der
Laurentic,
nachdem sie mit dem Marconi-Telegrafen eine weitere Nachricht an Kapitän Kendall auf der
Montrose
geschickt hatten. Vier Worte, die wenig sagten, aber viel besagten: »Beeilen uns, Schweigen bewahren.« Anschließend gingen sie in den privaten Speiseraum des Kapitäns, wo es Räucherlachs mit einer Gemüseauswahl und Kartoffeln gab, angerichtet vom Koch der
Laurentic.
    »Ich bestehe immer darauf, ihn dabeizuhaben«, erklärte Taylor seinem Gast. »Diese Reisen können mitunter ein ganz schönes Durcheinander mit sich bringen, dann ist es ein Trost, einen verdammt guten Koch an Bord zu haben. Wenn ich die Mannschaftsliste bekomme, sehe ich als Erstes nach, wer der Koch ist, und wenn er mir nicht gefällt, bleibt das Schiff im Hafen.«
    »Ich bin sicher, Ihre Passagiere wissen das zu schätzen«, sagte Dew, dem das Essen ausnehmend gut schmeckte.
    »Die Passagiere?«, sagte der Kapitän und stotterte verblüfft. »Zum Teufel mit den Passagieren, Mann. Sie glauben doch nicht, dass ich solch ein Können an so eine Bagage verschwende? Der Mann hat in Paris gearbeitet, Himmel noch mal. Er hat für Sarah Bernhardt gekocht. Nein, der bleibt allein für die Offiziere und mich reserviert. Die Reederei denkt, er kocht für alle, aber darüber bewahren wir ebenfalls Stillschweigen.«
    »Sie sind ein glücklicher Mann«, sagte Dew lachend. »Ich muss mich zu Hause abends meist selbst versorgen.«
    »Hier nicht«, sagte der Kapitän. »Und Ihre Kabine? Ist sie Ihnen bequem genug?«
    »Sie ist äußerst bequem. Danke, dass Sie mir ein so schönes Zimmer gegeben haben.«
    »Eine
Kabine,
Inspector. Eine
Kabine.
«
    »Natürlich.«
    »Dieser Crippen, hinter dem wir her sind«, sagte Taylor nach einer Weile, während er versuchte, eine zwischen zwei Zähnen klemmende Gräte zu fassen zu bekommen, weshalb seine Worte etwas gedämpft klangen. »Ich habe in der Zeitung von ihm gelesen, bevor wir Liverpool verlassen haben. Es heißt, er hat seine Frau umgebracht.«
    Dew nickte. »So sieht es aus«, sagte er. »Eine erschreckende Geschichte. Ich war es, der ihre Überreste entdeckt hat.«
    »Ach ja?«
    »Er hatte sie zerlegt und im Keller vergraben. Das war schlimmer als alles, was ich bisher gesehen habe.«
    »Erzählen Sie, Inspector«, sagte der Kapitän, der eine Vorliebe für das Makabre hatte.
    Dew seufzte. In den wenigen Wochen seit Crippens Verschwinden war er zu so etwas wie einer Berühmtheit geworden, trotzdem redete er nicht gerne mit Außenstehenden über die Sache. Nachdem er die Pakete mit den Leichenteilen von Cora unter dem Steinfußboden im Keller von 39  Hilldrop Crescent entdeckt hatte, war eine ganze Mannschaft von Polizeiärzten und Wissenschaftlern angereist und hatte alles

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